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Der Kindergarten und die «Republik»

Kinderkrippe Globegarden von Vorwürfen entlastet

Zur Weihnachtszeit wollte die gerade um Spenden bettelnde Online-Zeitschrift «Republik» einen Skandal landen. Ein Schlag ins Leere.

«Die Ostschweiz» Archiv am 18. Juni 2020

Es war Berichterstattung nach Drehbuch. Was braucht’s, um endlich mal wieder in die Schlagzeilen zu kommen? Drei Dinge. Ein emotionales Thema wie Kleinkinder. Besinnliche Weihnachtszeit. Und das Wort Skandal. Schon ist ein weiterer «Republik»-Skandal geboren.

Denn monatelange Recherchen hätten ergeben, dass unhaltbare Zustände in den Kindergärten des inzwischen grössten Anbieters von Kitas herrschten, der auch eine Filiale in St. Gallen betreibt. Bedenkliches prangerte das Organ an, überforderte, schlecht bezahlte Mitarbeiter, unbeaufsichtigte Kinder, mangelhafte Ernährung, überdurchschnittliche Fluktuation, ja Verletzungen und vom Wickeltisch fallende Kleinkinder.

Als der Sozialvorstand Zürichs, ein SP-Genosse, wider Erwarten diese Befunde nicht bestätigen wollte, durfte sich der Branchenverband der Kitas «schockiert» über diese Aussagen zeigen. Wunschgemäss rauschte es dann im Blätterwald; «Blick» und weitere Medien sprangen auf, Politiker forderten Untersuchungen. Insgesamt fast 80'000 Anschläge verbriet die «Republik» auf ihre Skandalberichterstattung.

Aber schon damals war klar, dass es sich um nach allen Regeln des Boulevards aufgezwirbelten Schmierenjournalismus handelte. Denn trotz angeblich monatelangen Nachforschungen basierte der Artikel ausschliesslich auf anonymen Behauptungen ehemaliger Mitarbeiter von Globegarden.

Wie es sich für Thesenjournalismus gehört, wurde auf alles verzichtet, was die saftige Skandal-Story hätte beeinträchtigen können. Also ein Augenschein vor Ort, Gespräche mit Mitarbeitern oder der Hinweis, dass Globegarden nicht Mitglied des Branchenverbands ist; der scharfe Konkurrenzkampf unter privaten Anbietern macht es besonders verwerflich, eine Branchen-Vertreterin Globegarden kritisieren zu lassen, ohne diesen Interessenskonflikt offenzulegen.

Schon der Zürcher Sozialvorstand sagte zum hörbaren Frust der «Republik», dass er gerne bereit sei, alles zu untersuchen, wenn man ihm entsprechende Dokumente oder Belege für die wilden Behauptungen vorlegen würde. Was die «Republik» dann unterliess. Schliesslich legte sich die Staubwolke aus Verdächtigungen, unbelegten Behauptungen und nicht überprüfbaren Schimpfkanonaden von ehemaligen Mitarbeitern.

Trotz angeblich umfangreicher investigativer Höchstleistung mehrerer «Republik»-Koryphäen gab es, ausser dem Namen der Kita, nur eine überprüfbare Tatsachenbehauptung: Der Vater von zwei Mitgründerinnen von Globegarden habe bei der Credit Suisse gearbeitet. Nur: Diese Falschaussage musste die «Republik» kleinlaut richtigstellen, der emeritierte Medizinprofessor hatte nie etwas mit der CS zu tun.

Globegarden beauftragte in der Folge eine grosse Kanzlei damit, eine unabhängige Untersuchung durchzuführen und stellte dafür umfangreiche Unterlagen zur Verfügung. Zudem taten die Anwälte all das, was die «Republik» unterliess. Sie nahmen Augenschein vor Ort und sprachen mit Mitarbeitern. Resultat: «Es gibt weder Hinweise auf Täuschung noch solche auf systematische Missachtung regulatorischer Vorgaben bei der Kita-Betreiberin.»

Natürlich kann eine solche Untersuchung nie aus der Welt schaffen, dass da doch vielleicht etwas im Argen liege, dass die Untersuchung nicht objektiv gewesen sei, dass ein Gefälligkeitsgutachten erstellt und bezahlt wurde. Dass Missstände vielleicht damals existierten, aber inzwischen behoben wurden.

Deshalb titelt zum Beispiel die NZZ vorsichtig «Bericht entlastet Globegarden», erwähnt dann aber «offene Fragen». Also hat die «Republik» genau das erreicht, wovor sich seriöser und verantwortungsbewusster Journalismus hüten muss: Ausschliesslich basierend auf anonymen Anschuldigungen, ohne den geringsten Beleg vorzulegen den Ruf einer Firma zu beschädigen.

Kein Wunder, dass so eine Unart von Journalismus nicht genügend zahlende Leser findet und immer wieder um Spenden betteln muss. Was das unausweichliche Ende nur hinauszögert.

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