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Die Rede ist von «gewaltsam»

Neues Kapitel im Maskenfall: Thurgauer Kantonsrätin wird aus Zug geworfen

Seit Wochen liegt die Thurgauer SP-Kantonsrätin im Streit mit den SBB. Trotz einem Attest, das sie von der Maskenpflicht befreit, wird jede Zugfahrt für sie zum Spiessrutenlauf. Nun wurde sie laut eigener Darstellung erstmals gewaltsam aus dem Zug geworfen.

Stefan Millius am 09. November 2020

Das Portal Corona-Transition.org macht den Fall publik. Demnach ereignete er sich am Freitag, 6. November. Barbara Müller war auf dem Weg von Bern Richtung Berner Oberland, in Thun war für sie dann aber Schluss. Wie bereits einige Male zuvor wurde sie vom SBB-Personal wegen der fehlenden Maske angesprochen. Müller ihrerseits machte darauf aufmerksam, dass sie von der Maskenpflicht aufgrund ihrer Gesundheit befreit ist. Allerdings zeigt sie das Attest jeweils nicht vor, weil sie die Ansicht vertritt, einen Zugkontrolleur gehe ihre medizinische Geschichte nichts an und vor allem: Dass die Rechtsgrundlage das Bahnpersonal nicht berechtigt, danach zu fragen. Die SBB selbst hat bestätigt, dass das Personal keine Befugnis hat, das Attest zu verlangen.

Offensichtlich brannten bei eben diesem Personal dann aber die Sicherungen durch. Nachdem Barbara Müller die SBB-Leute auf die Richtlinien ihrer eigenen Arbeitgeberin aufmerksam gemacht hatte (und sie diese offenbar nicht kannten), wurde sie von diesen am Bahnhof Thun «aus dem Zug entfernt», wie es heisst. Dies offensichtlich nicht auf die feine Art und nicht ohne Spuren. Die Rede ist von «gewaltsam», das Spital Frutigen habe Verletzungen bestätigt. Weitere Details werden nicht genannt.

Die Thurgauer Polikerin ist stark sehbehindert und ist neben dem Attest, das sie von der Maskenpflicht befreit, auch mit einem weissen Stock sowie einer speziellen Kennzeichnung in ihrem GA ausgestattet. Dieses belegt, dass sie auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen ist.

Schon in früheren Fällen hatte Müller Strafanzeige eingereicht. Das hat sie nun auch wieder getan. Sie moniert Nötigung, Körperverletzung, Freiheitsberaubung und Diskriminierung von Menschen mit Behinderung. 

Schon frühere Begegnungen zwischen Barbara Müller und dem SBB-Personal fanden den Weg in die Medien. Die Leserkommentare fielen uneinheitlich aus. Einige waren entsetzt über den Umgang, den Müller erfuhr, andere fanden, sie sei störrisch und solle einfach jeweils ihr Attest vorzeigen. Nachdem die SBB-Führungsriege selbst schriftlich eingeräumt hat, dass das Personal keine Handhabe hat, ein Attest zu verlangen, ist das allerdings kaum mehr haltbar.

Müller Barbara

Barbara Müller.

Stölzle /  Brányik
Autor/in
Stefan Millius

Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.

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