Raiffeisen hat grossartig geschäftet. Das gefällt aber nicht allen. Und so vermelden die Hersteller der Einheitssauce in den Deutschschweizer Medien Düsteres.
«Gewinneinbruch bei Raiffeisen», titelt die NZZ, im Rahmen der Schweizer Pressevielfalt echot Tamedia flächendeckend «Gewinn von Raiffeisen bricht ein», eher überraschungsfrei kopiert «20 Minuten»: «Raiffeisen macht wegen Vincenz weniger Gewinn». Fällt wenigstens das «St. Galler Tagblatt» durch Originalität auf? Es geht: «Gewinn von Raiffeisen-Gruppe bricht 2018 ein».
Das kommt halt davon, wenn man, ausser bei der NZZ, die gleiche SDA-Agenturmeldung abschreibt und das Resultat entweder gratis wie bei «20 Minuten» oder als angebliche Qualitätszeitung im Internet umsonst, auf Papier aber kostenpflichtig dem Leser präsentiert.
Aber stimmt das denn auch?
Der Gewinn brach tatsächlich massiv auf rund 541 Millionen Franken ein, also um 41 Prozent. Aber bevor man da «Himmels willen» sagt: Für das Jahr 2017 konnte der damalige CEO Patrik Gisel den grössten Jahresgewinn aller Zeiten verkünden. Obwohl er schon mit den Aufräumarbeiten der Ära Vincenz begonnen hatte. So ist alles relativ im Leben.
Zu den wilden Zeiten, als Pierin Vincenz schalten und walten konnte, wie er wollte, legte Raiffeisen insgesamt eine runde Milliarde für Zukäufe und Beteiligungen auf den Tisch. Bekannt wurde vor allem der Ankauf der Privatbank Wegelin, deren Umfirmierung in Notenstein Laroche und der abschliessende Verkauf. Wie jede Investition beinhaltete der Versuch, Raiffeisen zu diversifizieren, das Risiko von Verlusten.
Nun ist ein nicht unwichtiger Teil einer Bankbilanz die Bewertung von Aktiven. Im modernen Finanzdschungel gibt es da grosse Spielräume. Raiffeisen hat sich zu deutlichen Wertberichtigungen entschlossen, da das neue Führungsduo offensichtlich gleich am Anfang reinen Tisch machen wollte. VR-Präsident Guy Lachappelle und CEO Heinz Huber liessen der Rundumerneuerung der Führungsspitze nun auch einen klaren Schnitt in der Bilanz folgen.
270 Millionen wurden abgeschrieben, sogenannte Analysten und Prognostiker raunten da letztes Jahr von viel höheren Zahlen, Raiffeisen selbst vermutete vorsichtig einen Abschreibungsbedarf von bis zu 300 Millionen Franken. Zudem stockte Raiffeisen die Reserven für allgemeine Risiken um 40 Millionen auf 120 Millionen Franken auf. Ohne dass gröbere Probleme in Sicht wären.
Zum Vergleich: Die UBS hat für «Global Wealth Management» per Ende 2018 ganze 640 Millionen Dollar für Rechtshändel zurückgestellt, während die Bank in Frankreich in erster Instanz zur Zahlung von 5 Milliarden Franken verurteilt wurde.
Ertragsquelle Nummer eins ist bei Raiffeisen das Hypothekargeschäft. Das Volumen wuchs um 4 Prozent auf knapp 180 Milliarden Franken, damit ist Raiffeisen weiterhin klar die Nummer eins in der Schweiz.
Auch hier haken nun Kritiker ein, das sei viel zu viel, gefährlich, Tamedia runzelt flächendeckend die Stirn: «Eine einzige Zahl zeigt, wo Raiffeisens Problem liegt», da ganze 70 Prozent der Erträge aus dem Zinsgeschäft stammen. «So kann es aber nicht weitergehen», belehrt das Blatt die Raiffeisenspitze.
Ja was denn nun? Die Diversifizierung durch Vincenz, dem auch Tamedia damals zujubelte, war nun nicht recht, da es Verluste gab. Aber nicht diversifizieren und vor allem vom Hypothekargeschäft abhängen, das geht auch nicht. Und heute, nachdem Vincenz tief gefallen ist, soll er an allem schuld sein und geht vergessen, dass er, wie auch Patrik Gisel, einen entscheidenden Anteil daran hatte, dass Raiffeisen von der verschlafenen Bauernbank zur Nummer drei in der Schweiz aufstieg. Schön, dass solche Schreibtischtäter keine unternehmerische Verantwortung tragen.
Wie gefährlich ist denn das Hypothekargeschäft, nicht nur im Vergleich zu Investmentbanking, dem Handelsgeschäft und internationalen Geldflüssen? Da holen ja alle Schweizer Banken regelmässig einen Stiefel raus, Riesenverluste oder Riesenbussen belasten den Ertrag. Dagegen kann man Hypothekargeschäften innerhalb der Schweiz eigentlich nur eins vorwerfen: Sie sind stinklangweilig. Und geradezu unglaublich sicher.
Das misst man auch an einer einzigen Zahl. Nämlich an den Verlusten auf ausstehenden Krediten. Trotz Nullzinsen muss ja in der Schweiz eine fiktive Ertragskraft des Hypothekarnehmers von 5 Prozent des Kredits angenommen werden. Das führt dazu, dass Raiffeisen ganze 17 Millionen ans Bein streichen musste, das sind, Moment, 0,009 Prozent.
Von solchen mikroskopischen Verlusten im wichtigsten Ertragsbereich können die anderen Grossbanken nur träumen.
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