Erhöhte Polizeipräsenz vor der St.Galler Kathedrale während des Gottesdienstes mit den Schweizer Bischöfen.
Ein Woche nach Publikation der desaströsen Untersuchung zu sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche treffen sich die Schweizer Bischöfe in St.Gallen zur Herbstkonferenz. Am Dienstag haben sie in der Kathedrale einen Gottesdienst gefeiert - wo auch das Geschehene zur Sprache kommt.
Der St.Galler Stiftsbezirk ist heute Dienstag Mittelpunkt der Schweizer Medien: Im Kantonsgericht, das in der Pfalz zu Hause ist, wird unter internationaler Beobachtung der Fall eines ehemalischen weissrussischen Schergen mit Wohnsitz im Kanton St.Gallen behandelt. Ihm wird vorgeworfen, in seiner Heimat vor Jahren Oppositionspolitiker zum Verschwinden gebracht zu haben. Nebenan, in der Kathedrale, haben am Dienstag kurz nach Mittag die Bischöfe der Schweizer Bischofskonferenz einen Gottesdienst gefeiert - unter strenger Beobachtung von Kameras und Journalistenaugen.
Die Bischofskonferenz tagt in dieser Woche von Montag bis Mittwoch für ihre reguläre Herbstsitzung in St.Gallen bei Bischof Markus Büchel. Doch regulär ist dieser Tage gar nichts für die Bischöfe. Der öffentliche Gottesdienst ist der erste öffentliche Auftritt des einst als erlaucht geltenden Kreises, seit die Universität Zürich vor Wochenfrist die Untersuchung der sexuellen Missbräuche in der jüngeren Geschichte der katholischen Kirche der Schweiz präsentiert hat.
Erhöhte Polizeipräsenz vor der St.Galler Kathedrale während des Gottesdienstes mit den Schweizer Bischöfen.
Wer sich gegen Mittag der St.Galler Pfalz nähert, sieht von all dem nicht viel: Vor dem Kantonsgericht und bei der Kathedrale zeigt sich eine etwas erhöhte Polizeipräsenz. Touristinnen und Touristen lassen sich übers Gelände führen, beobachtet von den Patrouillen und den «Tourist Angels». Im Innern der Kathedrale finden sich für den Gottesdiens weit unter 100 Gläubige ein. Im hinteren Teil der Stiftskirche postieren sich die Medien.
Bischof Markus Büchel sagt eingangs des Gottesdiensts, es gelte nun, die Betroffenen in den Mittelpunkt zu stellen. Und er weist einmal mehr darauf hin, dass die Bischofskonferenz selber die Zürcher Studie in Auftrag gegeben hatte. Als möchte er betonen, dass sich hier niemand aus der Verantwortung ziehe wolle, sondern auch die Bischöfe an einer Aufklärung interessiert seien.
Die Schweizer Bischöfe halten ihre Herbstkonferenz 2023 in St.Gallen ab. Dazu gehört auch ein Gottesdienst.
Zwei Gottesdienstbesucher, ein Paar, drehen sich empört nach hinten und schnauben mit Blick auf die Kameras: «Etz lueg emol, die Press!» Im Übrigen verläuft der Gottesdienst friedlich und in geordneten Bahnen.
Die Lesung des biblischen Texts ist nicht zufällig gewählt: Im ersten Brief des Apostels Paulus an Timotheus, eine der letzten Schriften des Paulus, gibt er Anweisungen, wie der Dienst der Gottesdiener in einer «Zeit des geistlichen Niedergangs und der Verführung» durchgeführt werden soll. Urban Federer, Abt von Einsiedeln, baut seine Predigt darauf auf und erinnert daran, dass Demut und Charakterstärke vom Amt und der Person des Bischofs auch gemäss Evangelium erwartet würden.
Inwieweit er damit (Selbst-)Kritik übt, wird nicht restlos klar. Immerhin ist es ein Versuch, die aktuellen Geschehnisse in die Liturgie aufzunehmen. Auch wenn es den wenigsten unter der Kuppel der Stiftskirche danach zumute ist, geht der Gottesdienst mit einem Halleluja, Gebet und der Bitte um Zuversicht und Hoffnung zu Ende.
(Bilder: Odilia Hiller)
Odilia Hiller (*1976) ist Co-Chefredaktorin von «Die Ostschweiz».
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