Stefan Staub, Pfarreileiter der Katholischen Pfarrei Teufen Bühler Stein, hat am Sonntag im Gottesdienst Stellung genommen zu den über 1000 Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche Schweiz seit den 1950er-Jahren, die eine neue Untersuchung zutage gefördert hat: «Wir sind erschüttert und zornig.»
«Liebe Gottesdienstgemeinschaft, schön, dass Sie da sind. Oder besser, schön, dass Sie trotzdem da sind.» So fängt der Teufener Pfarreileiter und Diakon Stefan Staub gestern Sonntag seinen Gottesdienst an (siehe Video). Es sei ihm ein Anliegen, die durch eine Studie der Universität Zürich ans Tageslicht geförderten Missbrauchsfälle in der Geschichte der katholischen Kirche der Schweiz anzusprechen: «Wir können nicht einfach tun, als sei alles normal.»
So haben es gestern wohl viele Priester und Diakone der Ostschweiz gemacht: Adressiert, was nun nicht mehr verschwiegen werden kann, und was die Pfarreien seit vergangenem Dienstag umtreibt.
Es sei nun benannt, was lang verschwiegen wurde, das Klima vergiftet und die Glaubwürdigkeit der kirchlichen Arbeit geraubt habe, so Staub. «Meine Kolleginnen und Kollegen und ich sind erschüttert und zornig. Als Seelsorgende sind wir Teil des Systems und tragen Mitverantwortung für das Geschehene.»
Ein Dutzend Austritte
Nach all dem verursachten Leid und den Verletzungen könne eine Kirche nicht zur Tagesordnung zurückkehren. «Auch bei uns wird es Konsequenzen haben, denn es hat ein Dutzend Austritte gegeben», sagt Staub.
Wer bleibe, den lade man ein, zu zeigen, dass «wir in den Pfarreien anders sind». Die Kirchenleitung werde es vermutlich nicht schaffen, glaubwürdige Strukturveränderungen vorzunehmen.
«Damit hängt es von allen anderen ab, die sich noch irgendwie der Kirche zugehörig fühlen, also auch von Ihnen. Wer noch Kraft hat, soll nicht schweigen, soll mithelfen, nicht hinnehmen.»
Zur Person
Der 55-jährige Stefan Staub ist Diakon und Pfarreileiter in der katholischen Pfarrei Teufen/Bühler/Stein. Er hat sich nebst seiner Rolle als Leiter der Gottesdienste, wohin er immer wieder bekannte Persönlichkeiten zum Gespräch einlädt, unter anderem als Armeeseelsorger der Schweizer Truppen in Kosovo einen Namen gemacht. Seine karitativen Aktivitäten führten ihn bis nach Irak. Im vergangenen Jahr erregte er mit der Pfarrei Teufen Aufmerksamkeit, als unbürokratisch Hilfe und Unterschlupf für ukrainische Flüchtende bereitgestellt wurde.
(Video: Erich Gmünder, Bild: Kath-teufen.ch)
Odilia Hiller (*1976) ist Co-Chefredaktorin von «Die Ostschweiz».
Hier klicken, um die Mobile App von «Die Ostschweiz» zu installieren.