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Finanzielle Schieflage

Sollen die St.Galler Spitäler in AG überführt werden? SVP: «Politiker können keine Spitäler führen» SP: «Der Kanton muss in der Verantwortung bleiben»

Die vorbereitende Kommission empfiehlt, die Spitalverbunde in eine privat-rechtliche AG zu überführen. Diese helfe, die Ziele zu erreichen, sagt der St.Galler SVP-Fraktionspräsident Sascha Schmid. SP-Kantonsrat Dario Sulzer kann nur den Kopf schütteln.

Manuela Bruhin am 23. März 2024

St.Galler SVP-Fraktionspräsident Sascha Schmid:

«Die finanzielle Lage der St.Galler Spitäler ist prekär. Mit dem Versprechen, kein einziges Spital zu schliessen, wurde Heidi Hanselmann von der SP im Jahr 2004 in die St.Galler Regierung gewählt. Dieses kurzsichtige Versprechen misslang, ihren Nachfolgern hinterliess sie einen Scherbenhaufen. Mittlerweile mussten fünf der ehemals neun Spitäler entweder geschlossen, verkauft oder in Gesundheits- und Notfallzentren umgewandelt werden. Die Kosten dieser augenwischerischen, linken Politik sehen wir an den staatlichen Rettungspaketen der letzten vier Jahre im Umfang von über 250 Mio. Franken Steuergeldern. Wichtiger als Vergangenheitsbewältigung ist jedoch, dass wir jetzt alles unternehmen, um die St.Galler Spitalverbunde wieder auf gesunde Beine stellen.

Die vergangenen Jahre haben vor allem eines gezeigt: Politiker können keine Spitäler führen. Andere Kantone haben wohl auch deshalb den politischen Einfluss auf ihre Spitäler eingeschränkt. Unser Nachbarkanton Graubünden übergab den Betrieb seiner Spitäler bereits 2006 einer privatrechtlichen Stiftung, die Kantone Thurgau (1999) und Glarus (2011) entschieden sich für eine Aktiengesellschaft. Schweizweit sind heute mehr als die Hälfte der Zentrums- und Grundversorgungsspitäler als Aktiengesellschaft organisiert.

Der politische Einfluss auf die Spitalleitung wurde dadurch reduziert, im Zentrum steht eine qualitative und effiziente Gesundheitsversorgung. Der Erfolg zeigt sich auch in den Geschäftszahlen: Während die Spitalverbunde des Kantons St.Gallen im Jahr 2022 einen Verlust von 52 Mio. Franken verzeichneten, erreichten Graubünden und Thurgau einen Gewinn von 14 bzw. 11 Mio. Franken.

Selbstverständlich liegt dies nicht allein an der Rechtsform. Vielmehr hat die privatrechtliche Rechtsform dazu beigetragen, dass eine unternehmerische Kultur die reine Staatsverwaltung abgelöst hat. Zudem erfüllen diese Spitäler keine Wunschliste von Politikern, die um ihre Wiederwahl bangen, sondern erbringen ihren Grundversorgungsauftrag mit den vorhandenen Mitteln im Rahmen der staatlichen Leitlinien möglichst effizient.

Mit der Überführung der St.Galler Spitalverbunde in eine Aktiengesellschaft entkoppeln wir sie weitgehend von der Politik. Wir überlassen die Führung unserer Spitäler Fachfrauen und -männern. Wir geben unseren Spitälern mehr unternehmerischen Spielraum, um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen und weiterhin eine qualitativ hochstehende und sichere Gesundheitsversorgung zu gewährleisten. Wir trennen die Spitalverbunde vom Staatshaushalt des Kantons, damit unser Steuergeld sorgfältig, transparent und effizient eingesetzt wird. Und eines ist klar: Auch bei einer Aktiengesellschaft wird der Kanton St.Gallen Eigentümer unserer Spitäler bleiben und sicherstellen, dass die Gesundheit der Patienten und nicht Profit an erster Stelle steht.

Wer eine sichere und zahlbare Gesundheitsversorgung möchte, muss diese auf einem zukunftstauglichen Fundament bauen. Eine Aktiengesellschaft hilft, diese Ziele zu erreichen.»

Dario Sulzer, Stadtrat, Kantonsrat, Wil, SP:

«Die vorberatende Kommission über die Anpassung der Organisationsstruktur der Spitalverbunde hat sich verrannt. Mit der Forderung, die öffentlich-rechtliche Anstalt in eine Aktiengesellschaft umzuwandeln, verkennt die Kommissionsmehrheit den eigentlichen Handlungsbedarf. Der politische Steuerungsbedarf liegt nicht in einer weiteren Anpassung der Organisationsstruktur, sondern bei der Finanzierung der Spitäler und der Einflussnahme des Kantons im Gesundheitswesen.

Massenentlassung und schlechte Finanzkennzahlen haben zu sehr grosser Verunsicherung beim Spitalpersonal geführt. Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind hässig. Die Politik sollte die Spitäler mit vertrauensbildenden Massnahmen unterstützen und nicht bereits die nächste Umstrukturierung vorantreiben.

Der Kanton zahlt den Spitalverbunden für die stationären Leistungen jedes Jahr hunderte Millionen Franken. Schon deshalb darf die Politik seine Verantwortung nicht aus der Hand geben. Doch SVP, FDP und Mitte verlangen, dass sich der Kanton gänzlich aus der Spitalpolitik heraushalten soll. Dabei wäre das Gegenteil richtig.

Der Kanton muss für eine gute und wohnortnahe Gesundheitsversorgung sorgen. Er darf seinen Einflussbereich nicht leichtfertig aus der Hand geben. Mehr unternehmerische Freiheiten darf nicht auf eine vollständige Entpolitisierung hinauslaufen.

Der Kantonsrat soll die Spitalstandorte ins Gesetz schreiben. Der Kanton soll weiterhin im Verwaltungsrat Einsitz nehmen. Und der Kanton muss bei bedeutenden Liegenschaftsverkäufen mitbestimmen können, schliesslich wurden die Spitäler mit Steuergeldern aufgebaut! Die Spitäler sind zu wichtig. Es geht um zu viel Geld. Wir dürfen die Spitäler nicht leichtfertig dem politischen Einfluss entziehen.»

(Bild: Depositphotos/PD)

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Autor/in
Manuela Bruhin

Manuela Bruhin (*1984) ist Redaktorin von «Die Ostschweiz».

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