Der trumpige deutsche Innenminister Seehofer wäre schon längst zurückgetreten, hätte er nicht diese eine Erfüllung seines Kindheitstraumes.
Es gibt ein einziges Transit-Zentrum an der Grenze, auf deutschem Hoheitsgebiet, in Konstanz: die Einkaufs-Mall «Lago».
Geschickt gebaut Nähe Bahnhof und mehreren Grenzübergängen, erlaubt es potentiellen Flüchtlingen, mit allen Verkehrsmitteln bequem einzureisen.
Und sie tun es. Zu Hunderten. Täglich. E
s sind Wirtschaftsflüchtlinge aus der Ostschweiz, die vor den überhöhten Preisen von Migros, Coop und Mode Weber fliehen.
Die deutschen Grenzbeamten verstecken sich hinter ihren Schreibtischen, denn diese Masse lässt sich nicht mehr vernünftig kontrollieren.
Und im Lago angekommen, sind die Schweizer brave Flüchtlinge: Zuerst geben sie ihre Autos ab und bezahlen eine ordentliche Summe für die Parkgebühren, dann stehen sie Schlange vor den EC-Automaten und freuen sich, wenn der Euro-Kurs mal wieder um zwei Rappen gesunken ist.
Und dann stürmen sie die geschickt arrangierten Kontrollposten: Bei Tchibo werden sie um ihre Postleitzahl gebeten, bei Karstadt-Sport geben sie ihre Kreditkarten-Nummer preis, am Eisstand ihre Nationalität – «Zwei Glasse, bitte!» – und sie nerven sich untereinander, weil sie sauer sind, dass es hier nur Schweizer gibt.
Die deutsche Bundesregierung ist stolz auf die rasche Abwicklung der Formalitäten: Die erhoffte Ausschaffung innerhalb von 48 Stunden wird hier dank Schweizer Disziplin deutlich unterboten.
Meist genügen sechs Stunden und sie bewegen sich wieder auf die Südgrenze zu, wo sie von den eigenen Zöllnern misstrauisch kontrolliert werden und mit Schikane-Sperrungen von Fahrspuren indirekt mit unnötigen Warteschlaufen für ihre Flucht bestraft werden.
Zuhause werden stolz die günstigen Einkäufe gezeigt, die Ersparnisse aufgelistet und sich gefreut, dass selbst Appenzeller Käse und Toblerone ennet der Grenze billiger sind als zuhause.
Die abgestempelten Ausfuhrscheine sind der Beweis für die Wiedereinreise, werden in einer Extramappe gesammelt und für die nächste Flucht in wenigen Tagen sorgsam aufbewahrt.
Und einige Ostschweizer, die sich halbherzig um die Politik im Grossen Kanton kümmern, glauben, einen alten, dementig wirkenden Mann gesehen zu haben, der wie ein Kind vor Freude in die Hände geklatscht hat - und der Seehofer sehr ähnelte.
Wolf Buchinger (*1943) studierte an der Universität Saarbrücken Germanistik und Geografie. Er arbeitete 25 Jahre als Sekundarlehrer in St. Gallen und im Pestalozzidorf Trogen. Seit 1994 ist er als Coach und Kommunikationstrainer im Management tätig. Sein literarisches Werk umfasst Kurzgeschichten, Gedichte, Romane, Fachbücher und Theaterstücke. Er wohnt in Erlen (TG).
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