In einem Interview macht der Herisauer Gemeinderatskandidat Roger Mantel klare Aussagen. Vielleicht eine Spur zu klar.
Am Ende der Lektüre des Interviews auf Tagblatt.ch fragt man sich eigentlich nur eines: Wen hat Roger Mantel hier eigentlich nicht ausdrücklich diskreditiert?
Roger Mantel ist Einwohnerrat (Parlament) der Gemeinde Herisau und stellt sich nun zur Wahl in den Gemeinderat (Exekutive). Im bewussten Interview will er seine künftige Politik darlegen. Es artet allerdings eher zum Rundumschlag auf alle Seiten aus.
Zum einen wird das Stimmvolk abgewatscht. Dessen Kritik an einer wenig nach vorne gerichteten Politik in Herisau entstehe «aus Unwissenheit heraus», sagt Mantel. Schliesslich habe die Politik nicht auf alles, was nicht schnell genug gehe, einen Einfluss, so Mantel sinngemäss. Für Politiker sei das «teils zermürbend und anstrengend». Falsch mag das nicht sein, aber ob es die richtige Botschaft an die Bevölkerung ist, die in einem Monat wählt, wenn man ihr sagt, dass sie keine Ahnung hat?
Als nächstes ist der Gewerbeverein dran. Mit diesem habe er «auch etwas Mühe». Der Gewerbeverein habe «keinen politischen Hintergrund und etwas romantische Vorstellungen», so Roger Mantel. Und seine Erkenntnisse gipfeln in der Aussage: «Das Gewerbe sollte sich nicht in die Politik und die Politik nicht in das Gewerbe einmischen.»
Wo der Sinn eines Gewerbevereins liegt, wenn nicht im Einsatz für eine gewerbefreundliche Politik, das bleibt sein Geheimnis. Im Grunde ist das sogar die oberste Aufgabe.
Aber es geht noch weiter. « Im Gemeinde- oder Einwohnerrat werden Geschäfte behandelt, die mit dem Gewerbe eigentlich nichts zu tun haben.» Eine kühne Aussage. Wahr ist eigentlich das Gegenteil: Ob es um Infrastruktur oder Ordnungspolitik geht, das Gewerbe ist so gut wie von jeder Entscheidung mitbetroffen. Und deshalb engagiert es sich auch politisch - auf Augenhöhe mit Parteien, und das in der ganzen Schweiz.
Und schliesslich schiesst sich Roger Mantel auf die Parteiunabhängigen ein, eine Gruppierung mit langer Tradition in Ausserrhoden. Es störe ihn, dass diese in den Einwohnerrat wollen. Denn man wisse nicht, wofür sie stehen. Zur Erinnerung: Im 65-köpfigen Kantonsrat beispielsweise stellen die Parteiunabhängigen eine Fraktion mit zwölf Mitgliedern. Und soeben haben die Ausserrhoder mit Alfred Stricker einen Parteiunabhängigen zum Landammann gewählt. Sie nun ins Abseits zu stellen, ist gelinge gesagt seltsam, klarer gesagt undemokratisch.
Ob es ein gezielter Profilierungsversuch oder reine Naivität war: Mit dem Interview hat sich Roger Mantel einen Bärendienst geleistet. Das zeigen auch die ersten Reaktionen in den sozialen Medien. Dort ist unter anderem von «Arroganz und Überheblichkeit» die Rede. Wie auch immer: Geschickt ist anders.
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
Hier klicken, um die Mobile App von «Die Ostschweiz» zu installieren.