Weitet sich die Affäre um Ex-Raiffeisen-CEO Pierin Vincenz nun zur internationalen Sache aus? Immerhin hat sich das Fürstentum Liechtenstein in die Ermittlungen eingeschaltet. Die Wahrheit ist weniger aufsehenerregend. Es geht nur um ein Formular.
Es gibt im Schweizer Finanzwesen ziemlich viel Abkürzungen wie KyC, unverständliche Formulierungen wie Compliance und dann gibt es das Formular A. Harmloser Name, unterliegt nicht dem löchrigen Bankgeheimnis, kann sich jeder hier anschauen.
Dieses Formular, auf dass die Banken dann noch ihr Logo draufkleben, soll den wirtschaftlich Berechtigten an Vermögenswerten identifizieren. Das ist obligatorisch und gehört zu den Vorschriften im Rahmen von KyC, «know your customer» (kenne deinen Kunden), die wiederum einen Bestandteil der Compliance bilden, also der Einhaltung aller Vorschriften, Verordnungen und Gesetze, die es im Banking heutzutage gibt. Um Beispielsweise Steuerhinterziehung oder Geldwäsche zu erschweren.
Der Laie mag da meinen: Der Konto- oder Depotinhaber ist doch der wirtschaftlich Berechtigte, wozu der Aufwand? Das trifft beim Laien auch normalerweise zu. Aber zum Beispiel bei Leuten mit mehr Geld, als der Laie normalerweise hat, sieht das schon etwas anders aus. Da kann beispielsweise ein Strohmann der offizielle Inhaber einer Bankbeziehung sein. Während der wirtschaftlich Berechtigte ein Multimillionär ist, der gerne darauf verzichten möchte, auf die hier gelagerten Gelder Steuern zu zahlen.
Oder ein russischer Oligarch. Oder ein italienischer Mafioso. Oder ein mexikanischer Drogenhändler. Oder ein venezolanischer Angehöriger des korrupten Maduro-Regimes. Alle die pflegen weiterhin Bankbeziehungen mit Schweizer Banken, aber natürlich schon lange nicht mehr unter ihrem eigenen Namen. Sondern dem eines Strohmanns, einer Anwalts, einer Holding, eines Trusts
Jede Bank ist hin und hergerissen. Soll sie das mit dem Formular A wirklich genau nehmen, sich also nicht mit einem Strohmann oder einem Konstrukt auf einer fernen, kleinen Insel als wirtschaftlichem Berechtigten zufrieden geben? Und damit riskieren, dass ein ansehnlicher Batzen Geld nicht bei ihr, sondern bei der Konkurrenz landet?
Andererseits: Wird sie dabei ertappt, einem Kriminellen finanziellen Unterschlupf gewährt zu haben, die Identität des wirtschaftlich Berechtigten nicht korrekt abgeklärt zu haben, dann sind empfindliche Strafen fällig.
Die neuste Metastase im Fall des ehemaligen Raiffeisen-Bosses Pierin Vincenz liefert dazu Anschauungsmaterial. Wie der Finanzblog «Inside Paradeplatz» herausgefunden hat, der wesentlich zum tiefen Fall des ehemaligen Starbankers beitrug, hat auch Liechtenstein eine Strafuntersuchung gegen Vincenz aufgenommen («Die Ostschweiz» hat berichtet).
Zur Erinnerung: Die Zürcher Staatsanwaltschaft ermittelt schon seit rund anderthalb Jahren gegen Vincenz wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung. Ausser einem mehrmonatigen Aufenthalt in Untersuchungshaft ist dabei aber noch nichts herausgekommen. Die schon mehrfach in den Medien angekündigte Anklageerhebung lässt weiter auf sich warten.
In Vaduz geht es offenbar um die inzwischen gelöschte Holding I.C.H. AG, in der der Vincenz-Geschäftsgefährte Beat Stocker das Sagen hatte. Und um Überweisungen an ein Konto von Vincenz bei der Bank Bär. Dabei soll die Liechtensteiner LGT für die Zahlungsabwicklung benützt worden sein.
Und da spitzen die Liechtensteiner Behörden sofort die Ohren: LGT ist die Bank des Fürsten. Und wenn es um den «Fürscht» geht, wie der Liechtensteiner Untertan sagt, versteht man im Ländle keinen Spass. Also gibt man der Presse bekannt, dass man im «Nachgang zu Anfragen aus Zürich gegen mehrere Personen ein Strafverfahren eröffnete». So lässt sich die Staatsanwaltschaft Vaduz zitieren.
Allerdings: Zieht sich dadurch die Schlinge um Vincenz enger, wird nun sozusagen international gegen ihn ermittelt, tut sich hier ein neuer Abgrund von möglichen Untaten auf?
Gemach, nichts dergleichen. Das Ländle klärt lediglich ab, ob beim Ausfüllen des Formulars A in diesem Fall geschummelt wurde oder nicht. Hier ist der Banker-Ausdruck Peanuts angebracht. Es handelt sich in erster Linie um eine freundliche Amtshilfe für die Zürcher Staatsanwaltschaft, die auch in diesem Fall bislang trotz grossem Getöse keine Anklage gebacken kriegte.
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