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Gastronomin Sabine Bertin

«Wir kamen alle aus der 68er-Bewegung – Das 'Rössli' fiel uns durch Zufall zu»

Das «Rössli» in Mogelsberg soll ins Eigentum einer Genossenschaft überführt werden. Wir haben bei Sabine Bertin, die seit über 40 Jahren für den Betrieb verantwortlich ist, nachgefragt, was sich dadurch verändern wird und womit sie dem «Rössli» in der Vergangenheit ihren Stempel aufgedrückt hat.»

Marcel Baumgartner am 04. April 2022

Sabine Bertin, seit über 40 Jahren führen Sie das traditionelle «Rössli» in Mogelsberg. Wann und wie kam es damals dazu? Was hat Sie dazu bewogen, den Betrieb zu übernehmen?

Es sind inzwischen bereits 43 Jahre, ja. Wir waren damals eine Gruppe von fünf Personen aus Zürich. 1978 wurde uns das «Rössli» per Zufall angeboten, und ich liess mich – eigentlich widerwillig – von den anderen vieren mitschleppen.

Was waren damals Ihre Visionen? Was wollten Sie verwirklichen?

Wir kamen alle aus der 68-Bewegung. Die Themen damals waren: Arbeit und Freizeit verbinden, Selbstbestimmung, arbeiten ohne Hierarchien, sorgfältiger Umgang miteinander und der Natur, was dazu führte, dass wir damals schon nach biologischen Kriterien kochten und umbauten. Damals war allerdings die Bezeichnung «grün» ein Schimpfwort. Alle Entscheide wurden in der Gruppe nach dem Mehrheitsprinzip gefällt.

Hätten Sie gedacht, dass Sie dem «Rössli» eine solche lange Zeit treu bleiben?

Nein. Allerdings habe ich mir überhaupt nie solche Gedanken gemacht. Ich versuchte einfach immer, meine Ideen für Veränderungen in der Gruppe durchzusetzen, was mir immer gelang. So konnte sich das «Rössli» entwickeln. Wäre das nicht möglich gewesen, wäre ich wohl gegangen.

Was zeichnet den Betrieb heute Ihrer Meinung nach aus?

Auf jeden Fall einmal ist dieses Haus absolut einzigartig in seiner Bauweise und in seinem Ambiente.

Selten findet man eine qualitativ so hochstehende Küche kombiniert mit einem solch unkomplizierten persönlichen Service. Die Kombination von alt/historisch und modern geht durch alles durch wie ein roter Faden: aus einfachen einheimischen Zutaten ein spezielles Essen kreieren. Das historische Gebäude modern einrichten. Die alten Tische aus einheimischem Nussbaum mit weissem Leinen unkonventionell zur Geltung bringen. Mit klarer Führungsstruktur die Individualität der Mitarbeitenden fördern…

Die Küche ist sicherlich massgeblich dafür verantwortlich, dass man das «Rössli» kennt. Wie stark nehmen Sie jeweils Einfluss auf die Menüzusammenstellung?

Im Moment habe ich immer noch die Oberaufsicht über die Küche, mache die Menuplanung, Rezepte und den Einkauf.

Selbst ein Kochbuch ist schon erschienen. Welches Gericht daraus sollte man unbedingt einmal ausprobieren?

Fast alle Gerichte im Kochbuch sind sehr einfach, schnell zubereitet, mit wenigen Zutaten. Etwas ganz Spezielles ist sicherlich die «Linsen Sauerkraut-Crêpetorte», überraschend und wunderbar die Kombination. Oder, was im Moment aktuell ist: wir verarbeiten Radiesli zu zwei Saucen, einmal aus den Blättern zu Fisch, einmal aus den Radiesli selber zu Rucola Timbale. Also nichts vom Radiesli wird weggeworfen.

Nun liegt Mogelsberg nicht gerade in einem Zentrum. Wie schwer war bzw. ist es, potenzielle Gäste auf das «Rössli» aufmerksam zu machen?

Wir leben praktisch vom Wiederkommen der Gäste und von der Mund-zu-Mund-Propaganda. Zufriedene Gäste gibt neue Gäste.

Wie stark haben Sie vom 2018 eröffneten Mogelberger Baumwipfelpfad profitieren können?

Vor allem in den ersten beiden Jahren haben wir sehr stark profitiert. Jetzt hat es ein wenig nachgelassen, aber noch immer profitieren wir, da die Zusammenarbeit sehr gut ist. Es gibt auch verschiedene Packages.

Nun soll das Gasthaus neu ins Eigentum einer Genossenschaft überführt werden. Der Gastronomie- und Beherbergungsbetrieb wird unverändert weitergeführt. Was sind die Gründe für diesen Schritt?

Mein Anliegen ist es, dass das «Rössli» als Haus langfristig und nachhaltig erhalten bleibt. Da scheint mir die Form einer Genossenschaft die richtige zu sein. So liegt die Verantwortung in vielen Händen und nicht mehr allein bei mir.

Die Genossenschaftsanteile werden voraussichtlich einen Wert von 5000 Franken pro Stück haben. Mit welcher Anzahl rechnen Sie und was haben Genossenschafterinnen und Genossenschafter für Vorteile?

Wir hoffen natürlich auf viele Genossenschafter. Die Anteilscheine werden verzinst in Naturalien, der Zins wird also ver-essen, ver-trunken, ver-schlafen. Wer sich fürs «Rössli» engagieren möchte, kann in Zukunft mitbestimmen und so für den Erhalt der historischen Substanz sorgen.

Kommuniziert wurde das Ganze erst kürzlich. Welche Rückmeldungen haben Sie bisher erhalten.

Bis jetzt waren die Rückmeldungen praktisch durchgehend positiv. Es wurde nur ein relativ kleiner Kreis direkt angeschrieben. Wir werden aber vor der Gründungsversammlung einen weiter gestreuten Aufruf machen.

Am 5. April findet nun noch eine Infoveranstaltung statt. Was ist Ihnen bezüglich Informationsvermittlung das grösste Anliegen?

Wir möchten möglichst viele Menschen ins Boot holen, die den Erhalt der historischen Liegenschaft unterstützen.

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Autor/in
Marcel Baumgartner

Marcel Baumgartner (*1979) ist Chefredaktor von «Die Ostschweiz».

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