Heute einmal ohne Metaphern und ohne weit gespannte Bögen, sondern kurz und knackig und klar. Das Thema? Stadtbelebung, oder genauer: Innenstadtbelebung.
Der Stadtrat plant es schon lange. Das Gewerbe wünscht es sich, aber tritt schon lange an der Stelle. Die Parteien suchen seit Jahren nach einem Rezept, ohne sich zu sehr auf die Füsse zu treten:
Wie bringen wir mehr Leute nach Ladenschluss, zwischendurch oder an Wochenenden raus in die Gassen und auf die Plätze?
In dem wir das Verharren in der Innenstadt so niederschwellig als möglich gestalten. Und ein Trend zeichnet sich zum Glück ab in Form von mehr Gartenbeizen. Mehr Orte zum Hocken und Verweilen.
Und schon vernimmt man Warnungen und sieht erhobene Drohfinger, dass zuviele Gartenbeizen eine Gefahr für die Stadt sein können. Was soll das? Welcher sogenannte «Aufenthaltsraum» wird kleiner, wenn es mehr Beizen gibt? Etwa diese gebäudeseitigen Gassenränder, die sonst immer gähnend leer sind?
Lieber zugestellte, aber besuchte Gassenabschnitte, als deprimierende Leere. Die Stadt muss die Konsumenten raus aus den Räumen locken. Zu jeder Tageszeit. Die Menschen müssen gesehen werden. Wir Menschen sind Herdentiere. Je mehr Menschen draussen sind, desto mehr Menschen zieht es zusätzlich nach draussen.
Nichts ist trauriger als ein für Millionen sanierter Gallusplatz, der komplett unternutzt ist. Gut. Zur Mittagszeit werden die Mauern belagert, die viel zu geringe Anzahl Bänklein eingenommen, bei Sonnenschein quetscht man sich an die raren Mauerstücke, die noch etwas Schatten spenden. Kaum ist die Mittagspause vorbei – Stille. Abends – Stille. Wochendende – Totenstille.
Seien wir doch ehrlich: Der Gallusplatz bringt nicht das, was er bringen sollte. Nämlich ein Schmelztiegel quer durch alle Altersgruppen und sozialen Schichten zu sein. Denn das Zeug dazu hätte er. Aber nicht so. So kahl und so kalt. Wer hört an einem Abend, auf dem Bänklein, in Zweisamkei oder gar als Gruppe gerne nur das Echo des eigenen Gesprächs? Das sind die Wenigsten.
Die Mehrheit aber verdrückt sich an Orte, an denen das Leben herrscht. Und wo herrscht das Leben? Dort, wo man eng aufeinander gedrängt die eingeschränkten Quadratmeter teilen muss. Dort, wo sich etwas bewegt. Kurzum: Dort, wo es lebt und lärmt und das Auge nie ruht beim Beobachten.
Denn so ist die Mehrheit: Sie will nicht alleine sein. Sie will Bewegung sehen. Sie will wahrgenommen werden. Sie will zeigen. Die Mehrheit will beobachten. Und Orte wie der Gallusplatz, oder der Bärenplatz, oder das Gassenkreuz beim Globus oder beim Vadian-Denkmal – all das sind Orte, die abends vereinsamen.
Welche Orte aber sind belebt? Die engen Gässlein im Norden und Osten der Altstadt, die stark und konstant befahrene Gegend um Süd, News und Seger. Und es ist einleuchtend, weshalb das so ist:
Dort lebt es. Ja, selbst vorbeifahrende Autos und Busse, Stau, ein hoher Lärmpegel, gestresste Pendler, Abgase und drängelnde Radfahrer sind plötzlich nicht mehr störend. Hauptsache, es lebt. Es tut sich was. Frau und Mann ist nicht mehr alleine in der Mitte oder am Rande eines stillen Platzes. Der zwar schön ist und eine tausendjährige Geschichte erzählt – aber halt langweilig bleibt. Leer ist. Und somit unattraktiv.
Deshalb und auch im Zeichen der wieder aufflammenden Diskussion darüber, wie man das Innere der Stadt St. Gallen beleben kann, gar einen neuen Marktplatz mit Leben füllt, mein Aufruf: «Belebt» die Stadt auch wirklich! Verunmöglicht Anlässe nicht im Reglemente-Reigen. Sorgt dafür, dass sich etwas tut. Dass sich etwas bewegt. Dass unser Auge etwas erfassen kann, etwas beobachten kann. Belebt die Sinne, dann zieht es auch Menschen an.
Und entgegen anderer Meinungen bin ich überzeugt, dass genau deshalb auch der umstrittene Biergarten am Bahnhof belebt sein wird – weil dieser inmitten des Lebens seinen Platz gefunden hat, nicht an einer kulturell begründeten, sterilisierten Ecke der Altstadt.
Christian Neff (*1974) ist Gründer und Partner der Advice Online AG, einer Software-Firma für Banken und KMU. Der SVP-Stadtparlamentarier wohnt in St.Gallen.
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