logo

Innenstadtbelegung

Wollen wir Menschen oder nicht?

Heute einmal ohne Metaphern und ohne weit gespannte Bögen, sondern kurz und knackig und klar. Das Thema? Stadtbelebung, oder genauer: Innenstadtbelebung.

Christian Neff am 30. Mai 2018

Der Stadtrat plant es schon lange. Das Gewerbe wünscht es sich, aber tritt schon lange an der Stelle. Die Parteien suchen seit Jahren nach einem Rezept, ohne sich zu sehr auf die Füsse zu treten:

Wie bringen wir mehr Leute nach Ladenschluss, zwischendurch oder an Wochenenden raus in die Gassen und auf die Plätze?

In dem wir das Verharren in der Innenstadt so niederschwellig als möglich gestalten. Und ein Trend zeichnet sich zum Glück ab in Form von mehr Gartenbeizen. Mehr Orte zum Hocken und Verweilen.

Und schon vernimmt man Warnungen und sieht erhobene Drohfinger, dass zuviele Gartenbeizen eine Gefahr für die Stadt sein können. Was soll das? Welcher sogenannte «Aufenthaltsraum» wird kleiner, wenn es mehr Beizen gibt? Etwa diese gebäudeseitigen Gassenränder, die sonst immer gähnend leer sind?

Lieber zugestellte, aber besuchte Gassenabschnitte, als deprimierende Leere. Die Stadt muss die Konsumenten raus aus den Räumen locken. Zu jeder Tageszeit. Die Menschen müssen gesehen werden. Wir Menschen sind Herdentiere. Je mehr Menschen draussen sind, desto mehr Menschen zieht es zusätzlich nach draussen.

Nichts ist trauriger als ein für Millionen sanierter Gallusplatz, der komplett unternutzt ist. Gut. Zur Mittagszeit werden die Mauern belagert, die viel zu geringe Anzahl Bänklein eingenommen, bei Sonnenschein quetscht man sich an die raren Mauerstücke, die noch etwas Schatten spenden. Kaum ist die Mittagspause vorbei – Stille. Abends – Stille. Wochendende – Totenstille.

Seien wir doch ehrlich: Der Gallusplatz bringt nicht das, was er bringen sollte. Nämlich ein Schmelztiegel quer durch alle Altersgruppen und sozialen Schichten zu sein. Denn das Zeug dazu hätte er. Aber nicht so. So kahl und so kalt. Wer hört an einem Abend, auf dem Bänklein, in Zweisamkei oder gar als Gruppe gerne nur das Echo des eigenen Gesprächs? Das sind die Wenigsten.

Die Mehrheit aber verdrückt sich an Orte, an denen das Leben herrscht. Und wo herrscht das Leben? Dort, wo man eng aufeinander gedrängt die eingeschränkten Quadratmeter teilen muss. Dort, wo sich etwas bewegt. Kurzum: Dort, wo es lebt und lärmt und das Auge nie ruht beim Beobachten.

Denn so ist die Mehrheit: Sie will nicht alleine sein. Sie will Bewegung sehen. Sie will wahrgenommen werden. Sie will zeigen. Die Mehrheit will beobachten. Und Orte wie der Gallusplatz, oder der Bärenplatz, oder das Gassenkreuz beim Globus oder beim Vadian-Denkmal – all das sind Orte, die abends vereinsamen.

Welche Orte aber sind belebt? Die engen Gässlein im Norden und Osten der Altstadt, die stark und konstant befahrene Gegend um Süd, News und Seger. Und es ist einleuchtend, weshalb das so ist:

Dort lebt es. Ja, selbst vorbeifahrende Autos und Busse, Stau, ein hoher Lärmpegel, gestresste Pendler, Abgase und drängelnde Radfahrer sind plötzlich nicht mehr störend. Hauptsache, es lebt. Es tut sich was. Frau und Mann ist nicht mehr alleine in der Mitte oder am Rande eines stillen Platzes. Der zwar schön ist und eine tausendjährige Geschichte erzählt – aber halt langweilig bleibt. Leer ist. Und somit unattraktiv.

Deshalb und auch im Zeichen der wieder aufflammenden Diskussion darüber, wie man das Innere der Stadt St. Gallen beleben kann, gar einen neuen Marktplatz mit Leben füllt, mein Aufruf: «Belebt» die Stadt auch wirklich! Verunmöglicht Anlässe nicht im Reglemente-Reigen. Sorgt dafür, dass sich etwas tut. Dass sich etwas bewegt. Dass unser Auge etwas erfassen kann, etwas beobachten kann. Belebt die Sinne, dann zieht es auch Menschen an.

Und entgegen anderer Meinungen bin ich überzeugt, dass genau deshalb auch der umstrittene Biergarten am Bahnhof belebt sein wird – weil dieser inmitten des Lebens seinen Platz gefunden hat, nicht an einer kulturell begründeten, sterilisierten Ecke der Altstadt.

Einige Highlights

Uzwilerin mit begrenzter Lebenserwartung

Das Schicksal von Beatrice Weiss: «Ohne Selbstschutz kann die Menschheit richtig grässlich sein»

am 11. Mär 2024
Im Gespräch mit Martina Hingis

«…und das als Frau. Und man verdient auch noch Geld damit»

am 19. Jun 2022
Das grosse Gespräch

Bauernpräsident Ritter: «Es gibt sicher auch schöne Journalisten»

am 15. Jun 2024
Eine Analyse zur aktuellen Lage

Die Schweiz am Abgrund? Wie steigende Fixkosten das Haushaltbudget durcheinanderwirbeln

am 04. Apr 2024
DG: DG: Politik

«Die» Wirtschaft gibt es nicht

am 03. Sep 2024
Gastkommentar

Kein Asyl- und Bleiberecht für Kriminelle: Null-Toleranz-Strategie zur Sicherheit der Schweiz

am 18. Jul 2024
Gastkommentar

Falsche Berechnungen zu den AHV-Finanzen: Soll die Abstimmung zum Frauenrentenalter wiederholt werden?

am 15. Aug 2024
Gastkommentar

Grenze schützen – illegale Migration verhindern

am 17. Jul 2024
Sensibilisierung ja, aber…

Nach Entführungsversuchen in der Ostschweiz: Wie Facebook und Eltern die Polizeiarbeit erschweren können

am 05. Jul 2024
Pitbull vs. Malteser

Nach dem tödlichen Übergriff auf einen Pitbull in St.Gallen: Welche Folgen hat die Selbstjustiz?

am 26. Jun 2024
Politik mit Tarnkappe

Sie wollen die angebliche Unterwanderung der Gesellschaft in der Ostschweiz verhindern

am 24. Jun 2024
Paralympische Spiele in Paris Ende August

Para-Rollstuhlfahrerin Catherine Debrunner sagt: «Für ein reiches Land hinkt die Schweiz in vielen Bereichen noch weit hinterher»

am 24. Jun 2024
Politik extrem

Paradox: Mit Gewaltrhetorik für eine humanere Gesellschaft

am 10. Jun 2024
Das grosse Bundesratsinterview zur Schuldenbremse

«Rechtswidrig und teuer»: Bundesrätin Karin Keller-Sutter warnt Parlament vor Verfassungsbruch

am 27. Mai 2024
Eindrucksvolle Ausbildung

Der Gossauer Nicola Damann würde als Gardist für den Papst sein Leben riskieren: «Unser Heiliger Vater schätzt unsere Arbeit sehr»

am 24. Mai 2024
Zahlen am Beispiel Thurgau

Asylchaos im Durchschnittskanton

am 29. Apr 2024
Interview mit dem St.Galler SP-Regierungsrat

Fredy Fässler: «Ja, ich trage einige Geheimnisse mit mir herum»

am 01. Mai 2024
Nach frühem Rücktritt: Wird man zur «lame duck»?

Exklusivinterview mit Regierungsrat Kölliker: «Der Krebs hat mir aufgezeigt, dass die Situation nicht gesund ist»

am 29. Feb 2024
Die Säntis-Vermarktung

Jakob Gülünay: Weshalb die Ostschweiz mehr zusammenarbeiten sollte und ob dereinst Massen von Chinesen auf dem Säntis sind

am 20. Apr 2024
Neues Buch «Nichts gegen eine Million»

Die Ostschweizerin ist einem perfiden Online-Betrug zum Opfer gefallen – und verlor dabei fast eine Million Franken

am 08. Apr 2024
Gastkommentar

Weltweite Zunahme der Christenverfolgung

am 29. Mär 2024
Aktionswoche bis 17. März

Michel Sutter war abhängig und kriminell: «Ich wollte ein netter Einbrecher sein und klaute nie aus Privathäusern»

am 12. Mär 2024
Teuerung und Armut

Familienvater in Geldnot: «Wir können einige Tage fasten, doch die Angst vor offenen Rechnungen ist am schlimmsten»

am 24. Feb 2024
Naomi Eigenmann

Sexueller Missbrauch: Wie diese Rheintalerin ihr Erlebtes verarbeitet und anderen Opfern helfen will

am 02. Dez 2023
Best of 2023 | Meine Person des Jahres

Die heilige Franziska?

am 26. Dez 2023
Treffen mit Publizist Konrad Hummler

«Das Verschwinden des ‘Nebelspalters’ wäre für einige Journalisten das Schönste, was passieren könnte»

am 14. Sep 2023
Neurofeedback-Therapeutin Anja Hussong

«Eine Hirnhälfte in den Händen zu halten, ist ein sehr besonderes Gefühl»

am 03. Nov 2023
Die 20-jährige Alina Granwehr

Die Spitze im Visier - Wird diese Tennisspielerin dereinst so erfolgreich wie Martina Hingis?

am 05. Okt 2023
Podcast mit Stephanie Stadelmann

«Es ging lange, bis ich das Lachen wieder gefunden habe»

am 22. Dez 2022
Playboy-Model Salomé Lüthy

«Mein Freund steht zu 100% hinter mir»

am 09. Nov 2022
Neue Formen des Zusammenlebens

Architektin Regula Geisser: «Der Mensch wäre eigentlich für Mehrfamilienhäuser geschaffen»

am 01. Jan 2024
Podcast mit Marco Schwinger

Der Kampf zurück ins Leben

am 14. Nov 2022
Hanspeter Krüsi im Podcast

«In meinem Beruf gibt es leider nicht viele freudige Ereignisse»

am 12. Okt 2022
Stölzle /  Brányik
Autor/in
Christian Neff

Christian Neff (*1974) ist Gründer und Partner der Advice Online AG, einer Software-Firma für Banken und KMU. Der SVP-Stadtparlamentarier wohnt in St.Gallen.

Hier klicken, um die Mobile App von «Die Ostschweiz» zu installieren.