Welche Kräfte werden die verschiedenen Parteien der Region schon bald prägen? In einzelnen Interviews stellen wir die Hoffnungsträgerinnen und -träger vor. Heute: Orell Imahorn (*1996), Mitte-Politiker aus Wil.
Zivilstand: ledig
Ausbildung/Beruf: Assistenzarzt
Partei und Funktion: Die Mitte; Vorstand und Stadtparlamentarier der Die Mitte Wil, Vorstandsmitglied der Die Junge Mitte SG
In der Partei seit: 2017
Hobbies: Musik, Wandern, Fussball, Schw.StV., Freunde treffen.
Hätten Sie schon immer eine Nähe zu der Partei, in der Sie heute aktiv sind? Oder standen Sie dereinst auf einer anderen Seite?
Ich war nie auf einer anderen Seite. Meine Nähe zur Die Mitte habe ich aber auch erst im Verlauf entwickelt. Meine politische Wohlfühlzone war immer zwischen den Polen und nicht an deren Enden.
Gab es einen bestimmten Auslöser, der bei Ihnen das Interesse für die Politik geweckt hat? Was war die Motivation, sich in einer Partei zu engagieren?
Es gab keinen spezifischen Auslöser. Bei uns fanden politische Themen häufig am Familientisch statt, ohne dass jemand politisch aktiv war. Ich habe zunehmend gemerkt, dass ich an der politischen Partizipation interessiert bin. In Die Mitte bin ich schlussendlich durch einen Kollegen gekommen.
Wenn Sie Ihre Partei mit einer Schulnote bewerten müssten, wie würde die Benotung ausfallen?
Subjektiver als Schulnoten für Parteien geht es wohl nur noch bei Fussballmannschaften. Ich würde aber eine «5» geben, ich glaube es gibt immer Verbesserungspotential und über ein «gut» kann aus meiner Sicht eine Partei gar nicht kommen. Entscheidend sind schlussendlich die Menschen, nicht der Verein.
Was benötigt es, damit diese Bewertung dereinst noch besser ausfällt?
Die Bewertung wird wohl nie über eine «5» steigen ;-). Die Mitte macht aus meiner Sicht aktuell vieles richtig. Sie hat den Mut gezeigt, den Namen zu wechseln, für mich dürfte die Vergangenheitsbewältigung damit aber beendet sein. Sie bringt sich in vielen Themen aktiv ein, anstatt «nur» das Zünglein an der Waage zu sein. Ob die Änderungen wirklich zu einer besseren Bewertung führen, werden wir sehen.
Was sind Ihre persönlich wichtigsten Kernanliegen? Wofür möchten Sie sich einsetzen?
Vereinbarkeit von Beruf und Familie (auch Politik und Familie): Ich finde Wil und die Schweiz hat z.B. in schulergänzenden Tagesstrukturen noch viel Potential.
Gesundheitspolitik: Das ist leider ein Spannungsfeld, wo ich noch keine Lösung sehe und welches mich wohl mein Leben begleiten wird. Ich wehre mich sowohl gegen unnötige Abklärungen aus Angstmedizin, abrechnungsangepasste Medizin und gegen ein 2-Klassen-Gesundheitsystem. Unsere überstrukturierten Notfälle mit vielen banalen Konsultationen und der Grundversorgerschwund sind mir ebenfalls ein Dorn im Auge.
Keine «Verakademisierung» unserer Gesellschaft: Wir laufen aus meiner Sicht in die Gefahr, aus allen Berufen ein Studium zu machen und mit hohen Maturaquoten und hohen Studierendenzahlen eine zu grosse Schar an Akademisierten auszubilden, die wir als Gesellschaft weder vermögen noch in dieser Menge brauchen. Der Fachkräftemangel ist ein schmerzhaftes Symptom dieser Entwicklung.
Senkung des ökologischen Fussabdruckes unserer Welt: Jeder kleine Schritt ist ein Erfolg.
Föderalismus statt Zentralismus: z.B. stören mich eidgenössischen Vorschriften, welche nur Bergkantone betreffen, aber von den bevölkerungsstarken Gebieten durchgesetzt werden.
Sicherung der Altersvorsorge: Ein Erfolgsmodell, dass nicht als Scherbenhaufen enden darf.
Welche politischen Ambitionen haben Sie? In welcher Funktion würden Sie dereinst gerne aktiv sein?
Ich verfolge keine bestimmte Funktion. Ich politisiere solange und da, wie und wo es sich für mich richtig anfühlt (und ich die Unterstützung erhalte). Exekutivämter finde ich als politische Tätigkeit faszinierend und sehr interessant, aber ob ich dafür je meinen schönen Beruf aufgeben oder rückstellen möchte, kann ich mir bisher nicht vorstellen.
Kommt es vor – ob im politischen Umfeld oder auch privat –, dass Sie eine extreme Position einnehmen, weil Sie Freude an der Debatte haben?
Tatsächlich erwische ich mich teilweise im Privaten in einer Diskussion, eine Meinung zu vertreten, die meiner nicht identisch ist. Beziehungsweise mache ich gerne von Argumenten anderer Meinungen Gebrauch, weil mich die Argumentation meines Gegenübers interessiert. Im politischen Umfeld ist es für mich sinnlos, aus Freude an der Debatte eine extreme Position einzunehmen.
Wie fühlen Sie sich, wenn Sie merken, dass Sie falsch liegen?
Falsch zu liegen gehört zum Leben. Sowohl im Privaten, im Beruf oder in der Politik versuche ich es gleich zu halten: Den Fehler einsehen, dazu stehen und daraus lernen. Ich finde es schlimm, seiner angeblichen Meinung treu zu sein, aus Angst, das Gesicht zu verlieren.
Möchten Sie eine neue Bekanntschaft in erster Linie von Ihren Qualitäten oder von Ihrer politischen Stossrichtung überzeugen?
Soweit ich weiss, wissen viele Bekannte, z.B. bei der Arbeit, nicht, dass ich politisch aktiv bin. Bei neuen Bekanntschaften bin ich ich selbst (vielleicht etwas schüchterner als sonst) und die Menschen dürfen selbst entscheiden, ob sie von mir «überzeugt» sind oder nicht.
Gibt es in der jüngsten Vergangenheit der Schweiz einen politischen Meilenstein, der Ihnen so gar nicht in den Kram passt?
Die Ablehnung des «Co-2 Gesetzes». Der Beweis, wie unflätig «unheilige Allianzen» sind. Ich verstehe nicht, wie man aus dem Motiv «es geht zu wenig weit» etwas in den Sand setzten kann, um damit nur einen Rückschlag und eine Verlangsamung zum Erreichen des Zieles hinterlässt.
Marcel Baumgartner (*1979) ist Chefredaktor von «Die Ostschweiz».
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