Es ist nicht nur das Virus, das um sich greift. Auch die wirtschaftlichen Folgen verbreiten sich rasant. Deshalb muss der Bundesrat handeln - und zwar rasch. Ein Gastkommentar von Nicolo Paganini, St.Galler Nationalrat.
Eines vorne weg: Ich vertraue dem Bundesrat bei seinen anti-epidemiologischen Massnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus. Es ist extrem wichtig, dass wir uns als Gesellschaft jetzt mit diesem ungewohnten, uns aufgezwungenen neuen Lebensstil für einige Wochen arrangieren. Alles andere wäre unverantwortlich. Besserwisserische Egomanen, ob sie nun Johnson, Bolsonaro oder Trump heissen, steuern ihre Länder in die Katastrophe. Menschenleben sind jetzt wichtiger als Börsenkurse.
Zwar handelt der Bundesrat in der Ausbreitungsbekämpfung entschlossen. Leider ist bei der Bekämpfung der wirtschaftlichen Folgen von Covid-19 nicht die gleiche Entschlossenheit spürbar. Das anfängliche bundesrätliche «Wir werden Sie nicht im Stich lassen»-Statement reicht nicht mehr aus. Es gibt kein schlimmeres Gift für die Wirtschaft als die Unsicherheit. Und diese ist zur Zeit riesig. Ausser den Erleichterungen bei der Kurzarbeit liegt bis jetzt kein einziges Hilfsinstrument konkret auf dem Tisch.
Derweil breitet sich in der Wirtschaft in rasantem Tempo eine zweite virale Entwicklung aus: die Liquiditätskrise! Läden, Restaurants, Coiffeursalons, Bergbahnen, Fitnesscenter, Tagungslokalitäten, Messeplätze, Veranstaltungstechniker, Caterer und unvorstellbar viele mehr verzeichnen totale Einnahmenausfälle. Die Lohnkosten können über die Kurzarbeit reduziert werden – aber nicht einmal das gilt bis jetzt für alle Formen des Unternehmertums. Die restlichen Kosten bleiben grösstenteils und führen innert Wochen – ja in manchen Fällen wohl innert Tagen – zur Liquiditätskrise.
Und diese wird weiter gegeben sein: Investitionen werden vertagt, Lieferantenrechnungen nicht bezahlt, Mieten nicht bezahlt, alles nicht absolut Betriebsnotwendige wird gestrichen. Aber der nicht absolut betriebsnotwendige Betriebsausflug im August wäre die geplante Einnahme für ein Restaurant, ein Carunternehmen oder eine Bergbahn gewesen. Es besteht die sehr akute Gefahr, dass viele an sich zukunftsfähige Strukturen zerstört werden.
Der Bundesrat muss in diesen Fragen handeln – und zwar sehr rasch. Unsere kerngesunden Staatsfinanzen (beschwert sich übrigens noch jemand darüber, dass unser Finanzminister regelmässig grosse Überschüsse ausgewiesen hat?) geben uns die einmalige Möglichkeit, diese Krise besser als andere Länder zu meistern. Kurzarbeit und verbürgte Kredite reichen nicht aus. Beim Liquiditätskrisenvirus ist beim «Patient 0» anzusetzen: Unternehmen müssen versicherungsähnlich - natürlich mit der gebotenen Schadenminderungspflicht der Unternehmer - entgangene Einnahmen ersetzt werden.
Die ordnungspolitischen Bedenken müssen für einmal hinten anstehen. Lieber ein krankes Unternehmen zu viel retten als eine Gesundes zu viel sterben zu lassen. Es geht um das gleiche wie beim Coronavirus: ums Überleben!
Nicolo Paganini (*1966) ist Nationalrat (CVP) im Kanton St.Gallen.
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