Wer als Medium die St.Galler FDP nicht einfach hochjubelt, wird abgestraft - mit Entzug von Informationen.
Es war zugegebenermassen kein weltbewegender Anlass: Die FDP-Frauen des Kanton St.Gallen nominierten die Kandidatinnen für die FDP-Frauenliste für die Nationalratswahlen.
Die Nomination sollte richtig ausgeschlachtet werden - mit einem Anlass auf dem «Acrevis-Platz» (den kein St.Galler kennt, weil es ihn nicht gibt) im Stadtzentrum. Auch die Medien wurden eingeladen.
Nur eine einzige Zeitung aber erfuhr bereits im Vorfeld, wer die zur Nomination vorgeschlagenen Kandidatinnen sind: Das St.Galler Tagblatt, das die Liste (verständlicherweise) prompt publizierte. Alle anderen Medien wurden gebeten, zu kommen und brav zu berichten. Und das, nachdem der eigentliche Newsgehalt bereits im Tagblatt abgedruckt worden war.
Auf Anfrage bei der FDP-Geschäftsstelle, wie es dazu kommen konnte, hiess es, man habe das Tagblatt exklusiv mit den Namen bedient. Dies, weil man die Zusammenarbeit mit dieser Zeitung «sehr schätze» und das Tagblatt eine grosse Reichweite habe. Mit «Die Ostschweiz» hingegen sei es «schon schwierig» gewesen.
Diese Aussage nimmt Bezug darauf, dass wir in der Vergangenheit auch mal kritisch über die Arbeit der FDP geschrieben hatten - was wir als unsere Aufgabe verstehen, auch in Bezug auf andere Parteien.
Mit anderen Worten: Wer eine möglichst hohe Auflage hat und die FDP mit Samthandschuhen anfasst, erhält exklusive Informationen vorab. Wer es wagt, kritische Fragen zu stellen oder unbequeme Analysen zu verfassen, wird ausgesperrt. Ein kleines bisschen Nordkorea mitten in St.Gallen.
Dass aus einer Partei Indiskretionen zu einer bestimmten Zeitung durchsickern, ist Alltag, davon haben wir auch schon profitiert. Neu ist, dass nicht ein Einzelner bei einem Bier etwas ausplappert, sondern die offizielle Parteizentrale einzelne Medien vorzieht.
Was aber hat «Die Ostschweiz» so Ungebührliches getan? Konkret haben wir thematisiert, dass die St.Galler FDP ein Personalproblem hat. Das wissen im Übrigen selbst viele führende Köpfe der Partei, und sie sprechen auch darüber - vor vorgehaltener Hand. FDP-Präsident Raphael Frei erhielt unmittelbar danach die Möglichkeit zur Stellungnahme.
Nun stelle man sich vor, eine Bundesratspartei würde nicht mehr mit einem nationalen Medium sprechen, weil der Bundeshausjournalist einen kritischen Artikel verfasst hat. Das ist undenkbar. Allerdings sind auf Schweizer Ebene im Politbetrieb eben auch Profis am Werk, die wissen, dass sie sich damit keinen Gefallen tun. Denn erstens brauchen Parteien die Medien. Und zweitens wirkt eine solche beleidigte Reaktion sehr unprofessionell.
Auf Stufe Kanton aber ist eher Laientheater angesagt. Da werden mal schnell aufgrund persönlicher Befindlichkeiten einzelne Medien bevorzugt und andere geschnitten. Das ist kurz vor dem Beginn eines Wahlmarathons nicht unbedingt schlau. Und es würde wohl kaum einer anderen Partei einfallen.
Denn bald beginnt die Zeit, in der Medien mit Vorschauen zu Wahlkampfanlässen und mit Stellungnahmen zu politischen Geschäften geschwemmt werden. Stets mit der «freundlichen Bitte um Berücksichtigung in ihrem Medium».
Freundlich bitten darf man immer. Noch effektiver wäre es, nicht auf eine DDR-Informationspolitik zu setzen.
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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