Der erste Kandidat fürs Rorschacher Stadtpräsidium wurde von einer kleinen Runde von FDP-Kantonsräten ins Rennen gebracht. Die Ortsparteien mussten ahnungslos zusehen, wie die Kandidatur von Robert Raths in St.Gallen geschmiedet wurde - perfekt orchestriert.
Eigentlich war die Sache klar: FDP und CVP Rorschach machen gemeinsame Sache, was die Suche nach dem nächsten Rorschacher Stadtpräsidenten angeht – um einen bürgerlichen Sieg zu sichern. Dazu war ein «runder Tisch» geplant, an dem mögliche Kandidaten gesucht und diskutiert werden.
Federführend dabei: Die Ortsparteipräsidenten Marcel Müller (FDP) und Ruth Belz (CVP). Je ein weiteres Mitglied der beiden Parteien gehörte ebenfalls zu den Initianden des «runden Tisch».
Dieser Tisch ist inzwischen aber förmlich gesprengt worden und weitgehend sinnlos. Beziehungsweise: Die CVP sitzt faktisch allein an diesem runden Tisch. Aus den Medien erfuhren die verdutzten Christdemokraten, dass Robert Raths (FDP), Thaler Gemeindepräsident, nach einer ersten Absage nun doch Rorschacher Stadtpräsident werden möchte. Er verkündete seine Kandidatur, ohne dass die «Tisch-Mitglieder» der CVP davon wussten.
Es gibt aber Quellen, die sogar sagen, dass weite Teile der FDP Rorschach ebenfalls keine Ahnung davon hatten, was da geschah. Die Kandidatur von Robert Raths sei eine Aktion von FDP-Kantonsrat Andreas Hartmann gewesen, die dieser im Alleingang eingefädelt und durchgezogen habe, sagen mehrere Stimmen. Raths sitzt wie Hartmann im kantonalen Parlament, soeben war Session – da bleibt viel Zeit für Hinterzimmergespräche.
«Eine Kandidatur kann nie im Alleingang zustande kommen»: So reagiert Andreas Hartmann auf die entsprechende Anfrage von «Die Ostschweiz». Es treffe zu, dass er seinen Kantonsratskollegen Raths darauf angesprochen habe, dass er doch kandidieren solle. Raths hatte ursprünglich den Gedanken verworfen mit dem Verweis auf sein Alter, er ist 59. Hartmann findet, zwei Amtsdauern könne er «von seinem Alter her noch mindestens leisten.»
Aber wie steht es um den Vorwurf des Sololaufs des Rorschacher Arztes Hartmann? Es sei korrekt, er habe Raths dazu gebracht, die Frage einer Nomination zusammen mit der Leitung der Ortspartei zu besprechen. Dieses Gespräch habe stattgefunden, danach habe aber die FDP-Parteileitung Rorschach einstimmig entschieden, Robert Raths der Nominationsversammlung als Kandidaten vorzuschlagen.
Das alles klingt ziemlich offiziell. Verifizieren lässt es sich nicht. Die FDP Rorschach hat weder eine Medienmitteilung versandt noch auf einem anderen Kanal – Webseite,Facebook – über die Sache geschrieben. Mit anderen Worten: Die FDP möchte gerne das Stadtpräsidium erobern, hat also etwas Gewichtiges zu verkündigen, sie schlägt einen Kandidaten zur Nomination vor – und schweigt darüber und lässt den Kandidaten allein kommunizieren. Das ist ungewöhnlich.
Wobei: Der Kandidat ist nicht ganz allein. Im Artikel im «Tagblatt», in dem Robert Raths seine Kandidatur bekanntgibt, wird auch Raphael Frei zitiert. Der FDP-Kantonalparteipräsident und Neo-Kantonsrat sitzt zusammen mit Andreas Hartmann und Robert Raths im «Ratsstübli» des St.Galler Parlamentsgebäudes, während das «Tagblatt» informiert wird. Auch Frei lässt in dem besagten Artikel eine Lobeshymne auf seinen Kantonsratskollegen vom Stapel.
In diesem Sinn hat Hartmann recht, wenn er sagt, eine Kandidatur sei nie im Alleingang möglich. Es braucht schon zwei Kantonsräte, die einen dritten Kantonsrat überreden.
Spätestens jetzt wird klar: Hier wird ein Kandidat auf kantonaler Ebene gemacht – und die Ortsparteien müssen einfach mitspielen. Als wenn es ein Zufall wäre, dass zwei Grössen der kantonalen FDP und ihr Wunschkandidat zusammen mit einem Medienvertreter im «Ratsstübli» im St.Galler Klosterbezirk landen und wie nebenbei die Kandidatur für Raths kommunizieren. Das klingt orchestriert von A bis Z. Und man düpiert damit die lokale Sektion der FDP, die zusammen mit der CVP eine Findungskommission gebildet hat.
Wie sieht man das auf lokaler Ebene? Der Rorschacher FDP-Ortsparteipräsident Marcel Müller hat auf unsere Anfrage bisher keine Stellung bezogen. Aber es gibt diverse andere Stimmen, die versichern, dass die Kandidatur Raths für weite Teile der politischen Szene in Rorschach wie aus dem Nichts kam – einem Überfall gleich.
Vor allem, weil der Thaler Gemeindepräsident, der früh ins Spiel gebracht worden war, ja eigentlich bereits abgesagt hatte mit dem Verweis auf sein Alter. Die «mindestens zwei Amtsperioden», die ihm Hartmann zuspricht, sind etwas optimistisch, nach Ablauf dieser zwei Legislaturen wäre Raths 67, und eine erneute Kandidatur in diesem Alter würde doch eher exotisch anmuten. «Maximal zwei Amtsperioden» trifft es also eher.
Was nun mit dem «runden Tisch» passiert, ist offen. Laut Andreas Hartmann, dem Strippenzieher der Kandidatur Raths, hätten «erste Sondierungen» bereits stattgefunden, die zeigen sollen, was damit nun weiter geschehen soll. Das liege aber in der Kompetenz der Ortsparteileitungen. Wie gross die Lust der einzelnen Exponenten ist, gemeinsam nach Kandidaturen zu suchen, nachdem sie mit einer solchen überrascht wurden, ist offen.
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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