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Verdingkinder

Fall Herzog: Jetzt droht ihr eine Anzeige wegen Verleumdung

Das ehemalige Verdingkind Robert Blaser will die Thurgauer SVP-Nationalrätin Verena Herzog wegen Verleumdung anzeigen. Der neueste Akt im Streit um Worte - die bei nüchterner Analyse sehr unglücklich waren, aber wohl doch etwas anderes sagten als der Sturm der Entrüstung suggeriert.

Stefan Millius am 19. Juli 2019

Ob dieser rechtliche Schritt von Erfolg gekrönt sein wird, darf bezweifelt werden. Aber es geht wohl in erster Linie um ein Signal. Die Organisationen rund um frühere Verdingkinder in der Schweiz sind empört über Ausführungen von Verena Herzog, Nationalrätin (SVP) aus dem Thurgau. Und weil sich diese für ihre Wortwahl nicht entschuldigen will, greift man nun zu juristischen Massnahmen.

Herzog hatte sich in einem Beitrag in einem SVP-Organ gegen vermehrte staatliche Eingriffe bei der Erziehung und Betreuung von Kindern gewehrt. Und dabei den Eindruck erweckt, sie sehe Parallelen zwischen Kindertagessstätten und den früheren Verdingkindern.

Sagen wollte sie offenbar, dass die tragische Geschichte der Verdingkinder aufgrund von staatlichen Interventionen entstanden sei und sie das für die Zukunft verhindern wolle. Gegen aussen entstand aber der Eindruck, sie halte das Schicksal von Verdingkindern für vergleichbar mit demjenigen von Kindern in Kindertagesstätten.

Mit dem Resultat, dass beide Seiten - Verdingkinder und Kita-Vertreter - gleichermassen empört reagierten.

Robert Blaser, Präsident des Vereins «Fremdplatziert», hat deshalb im «Blick» angekündigt, eine Anzeige wegen Verleumdung gegen Verena Herzog einzureichen. Zitieren lässt er sich wie folgt: «Sie behauptet, unsere Mütter hätten uns wehrlose Kinder freiwillig abgegeben – und seien selbst schuld daran.»

Das ist genau genommen falsch: Verena Herzog sagt das nirgends. Aber es ist ein Eindruck, der entstanden ist, weil Verdingkinder und Kindertagesstätten im gleichen Atemzug erwähnt wurden. Herzog nahm aber nach der ersten Kritikwelle ausdrücklich Stellung dazu, was sie gemeint hatte: Dass die Verdingkinder nur aufgrund staatlicher Zwangsmassnahmen möglich waren - und solche befürchtet sie in Zukunft eben wieder.

Nüchtern betrachtet, waren die Ausführungen der Thurgauer Nationalrätin zum Thema Kinderbetreuung je nach politischer Gesinnung richtig oder falsch. Und der angebliche Vergleich, der so viele Wellen warf, ist beim genauen Lesen nicht so, wie er später interpretiert wurde. Unschuldig an der ganzen Aufregung ist die SVP-Politikerin aber dennoch nicht.

Hätte sie frühzeitig erklärt, dass man ihre Worte tatsächlich falsch interpretieren kann und dass es besser gewesen wäre, die Verdingkind-Thematik gar nicht erst ins Spiel zu bringen, wäre vieles abgefedert worden. Es war die Unnachlässigkeit, die das Ganze erst auf die Spitze trieb.

Stattdessen erhält Herzog nun laut dem «Blick» viel negative Post und beharrt offenbar auch in ihren Antworten darauf auf dem Standpunkt, was sie gesagt habe, sei richtig - und sie steht weiter zum Verdingkind-Zusammenhang.

Verena Herzog

Die Thurgauer SVP-Nationalrätin Verena Herzog. (Screenshot: SRF)

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Autor/in
Stefan Millius

Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.

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