Das Schweizer Fernsehen bietet einen Blick in die Ferne. Es ist in erster Linie Ferne von der Realität.
Welch eine wunderschöne Abschiedssendung für und von scheidenden Grössen des Senders. Hier ist nochmals alles drin, was die SRF ausmachte: Mit Glanz und Gloria berichten Reporter mitenand über eine fremde Heimat durch ein Fenster zum Sonntag über seltenste Barock-, Natur- und Berggärten, unterlegt mit Schweizer Potzmusig. Die klassischen Elemente, die das Schweizer Fernsehen so exotisch machten, sind alle maximal vertreten, nur Aeschbi ist nicht dabei, er tüftelt wahrscheinlich lieber drinnen in seinem Labor.
«Martin und Brigitta wohnen in einem Haus, welches 1818 gebaut wurde. Zu diesem gehört ein traumhafter Barockgarten …» Nein, so beginnt nicht der Schulaufsatz einer vierzehnjährigen Migrantin, es ist der Versuch, Menschen in Hochhaussiedlungen mit einer vertrockneten Primel vor dem Fenster zu begeistern, mit historischen eidgenössischen Traditionen neidisch zu machen und mit ausgestorbenen Möglichkeiten für normale Menschen, Sehnsuchtsorte zu zeigen, die fern aller Realotäten angesiedelt sind. Schweizer Realitätsferne.
Diese Serie wird ein Riesenerfolg werden, nicht im deutschsprechenden Europa, sondern in den Wüstengebieten der Welt, in Entwicklungsländern und in wackligen Bildern in Bagdad und Afrin. Der Nimbus der Schweiz wird gestärkt – und das ist doch eine der nationalen Hauptaufgaben des Senders. Es ist das beste Abschiedsgeschenk, das sich der von solchen Produktionen verwöhnte CEO Matter selbst machen konnte, er hat alles richtig gemacht und geht trotzdem hinter die Hecken.
Wolf Buchinger (*1943) studierte an der Universität Saarbrücken Germanistik und Geografie. Er arbeitete 25 Jahre als Sekundarlehrer in St. Gallen und im Pestalozzidorf Trogen. Seit 1994 ist er als Coach und Kommunikationstrainer im Management tätig. Sein literarisches Werk umfasst Kurzgeschichten, Gedichte, Romane, Fachbücher und Theaterstücke. Er wohnt in Erlen (TG).
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