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Weltpremiere im Theater St.Gallen

«Ich möchte Mädchen und Frauen Mut machen»

Die Lebensgeschichte von Waris Dirie wird auf der Bühne dargestellt. Das Musical «Wüstenblume» ist trotz toughem Inhalt eine Geschichte voller Mut, Hoffnung und Versöhnung. Waris Dirie und zwei Exponenten aus dem Kreativteam geben Einblick.

Sibylle Jung am 13. Februar 2020

Das Musical «Wüstenblume» basiert auf dem gleichnamigen autobiografischen Roman und Weltbestseller von Waris Dirie, die als Nomadenmädchen in der Wüste Somalias aufwuchs, im Alter von 14 Jahren vor einer Zwangsheirat mit einem wesentlich älteren Mann nach Mogadischu flüchtete, Jahre später in einem Londoner Schnellimbiss von einem Starfotografen entdeckt und zu einem der erfolgreichsten Models der Welt wurde. Ihren Erfolg nutzte sie, um auf die nach wie vor weltweit praktizierte grausame Methode der weiblichen Beschneidung aufmerksam zu machen. Doch das Musical ist keine Geschichte über Genitalverstümmelung, sondern die unglaubliche Geschichte einer mutigen, starken Frau, die sich aus einer aussichtslos scheinenden Situation gerettet und eine Zukunft geschaffen hat. Es erzählt den langen Weg von der Wüste nach London und ins Scheinwerferlicht der Laufstege. Die Weltpremiere fand am 22. Februar 2020 im Theater St.Gallen statt.

Wüstenblume

Waris Dirie, welche Kernbotschaft möchten Sie dem Publikum mit dem Musical mitgeben?

Waris Dirie: Stehe zu dir selbst, deinen Wünschen, Träumen und Zielen. Und gib diese nie auf.

Was steckt dahinter?

Waris Dirie: Mein ganzes Leben war von Höhen und Tiefen geprägt, von Erfolgen und Rückschlägen. Aber ich habe mich nie unterkriegen lassen. Ich habe in meinem Leben viel gelacht, aber auch viel Schmerz erfahren. Mein Leben war eine Achterbahnfahrt der Gefühle. Wer in das Musical «Wüstenblume » kommt, wird von uns auf eine Reise mitgenommen, die er nicht vergessen wird. Musik ist eine internationale Sprache, mit der man viele Menschen erreichen kann. Ich freue mich, dass wir unsere Botschaft mit «Wüstenblume» auf diese Art transportieren können.

Uwe Fahrenkrog

Uwe Fahrenkrog-Petersen ist einer der erfolgreichsten deutschen Musikproduzenten und Komponisten, aus dessen Feder u. a. der für die Band Nena geschriebene Welthit «99 Luftballons» stammt. Der gebürtige Westberliner arbeitete als Filmkomponist in Hollywood. «Wüstenblume» ist sein erstes Musical, das uraufgeführt wird.

Wüstenblume ist keine lustige Feel-good- Geschichte, sondern harter Stoff. Wie gingen Sie, Uwe Fahrenkrog-Peterson, als Komponist damit um?

Uwe Fahrenkrog-Petersen: Sie haben recht, wir machen hier kein «König-der-Löwen-Disney-Musical». Allerdings waren die wenigsten erfolgreichen Musicals leichte Kost, schauen Sie sich nur einmal «Les Misérables» oder «Phantom der Oper» an. Die «Wüstenblume»-Story hat eine enorme Kraft: die unglaubliche wahre Geschichte von Waris Dirie, ein afrikanisches Drama, der Glamour der internationalen Topmodel-Welt und die wunderschöne positive Wendung am Schluss. Eine starke Frau geht ihren Weg, überwindet die grössten Hindernisse und wird Retterin, Vorbild und Ikone – das Thema ist brandaktuell.

Gil Mehmert

Gil Mehmert ist ein deutscher Theater- und Filmregisseur sowie Hochschullehrer. Zu seinen herausragenden Arbeiten gehören neben zahlreichen Musicals auch aufwendige Open-Air-Produktionen. Am Theater St.Gallen inszenierte er zuletzt das in Koproduktion mit dem Münchner Staatstheater am Gärtnerplatz realisierte Musical «Priscilla».

Gil Mehmert, wie sind Sie als Autor mit dem Umstand «positives Musical mit ernstem Inhalt» umgegangen?

Gil Mehmert: Für mich ist es immer reizvoll, relevante und substanzielle Themen im Theater zu erzählen. Das sensible und schwierig zu erzählende Thema Genitalverstümmelung forderte mich als Autor und Regisseur extrem heraus. Ich hoffe, dass ich respektvoll und sensibel damit umgegangen bin und die Chance gepackt habe, den von Patriarchat und /oder Religion unterdrückten Frauen dieser Welt als Mann meine Hochachtung und meinen Respekt auszudrücken.

Das Musical wird in St.Gallen uraufgeführt. Wie gefällt es Ihnen hier?

Uwe Fahrenkrog-Petersen: Viel habe ich bisher noch nicht gesehen; aber ich freue mich darauf, mit meiner Frau durch die hoffentlich verschneite Altstadt zu bummeln …

Gil Mehmert: Ich liebe diese wunderschöne, mir friedlich und freundlich erscheinende Stadt, die ihre Nähe zur Natur dennoch mit grossstädtischer Kultur zu verbinden weiss. Durch die schöne Innenstadt zu gehen und zum hundertsten Mal die zahlreichen Uhrenauslagen zu studieren, entspannt mich.

Waris Dirie: Die Natur ist, was auch mir an St.Gallen besonders gefällt: die Wiesen, die Berge, die Luft; die schönen, sauberen Plätze und natürlich das Wasser (lacht). Als Kind war es für mich in der Wüste von Somalia täglich ein harter Kampf. Ich musste Wasser für unsere Tiere und meine Familie suchen. Da ging es jeden Tag ums Überleben. Die Menschen hier in der Schweiz können sich glücklich schätzen. Vor allem, wenn man weiss, dass mehr als zwei Milliarden Menschen weltweit keinen dauerhaften Zugang zu sauberem Wasser haben. Was die Stadt anbelangt: Ich komme jetzt öfter nach St.Gallen und werde die schöne Stadt ganz genau erkunden.

Das sollten die Leserinnen und Leser über «Wüstenblume» unbedingt noch wissen …

Gil Mehmert: Die Grausamkeit der weiblichen Beschneidung wird weltweit täglich überall praktiziert, eben auch in unserer unmittelbaren Umgebung.

Uwe Fahrenkrog-Petersen: «Wüstenblume – das Musical» ist tolles Entertainment, musikalisch und dramatisch mitreissend, bunt und facettenreich. Man wird weinen, lachen und mit einem Gefühl von Stärke aus der Show gehen.

Waris Dirie: Meine Botschaft richtet sich an die Mädchen und jungen Frauen; ich möchte ihnen Mut machen. Sei du selbst. Glaube an dich. Du bist schön und stark. Du kannst als Frau alles im Leben erreichen. Egal, was andere sagen.

www.theatersg.ch

Das Interview ist in der zweiten Ausgabe des Magazins «612» erschienen. Es widmet sich dem Thema «Zufall». Mehr dazu finden Sie hier. 

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Autor/in
Sibylle Jung

Sibylle Jung ist Inhaberin der Agentur Pur Kommunikation AG in St.Gallen. Die Unternehmerin liebt europäische Städte, Boston, gutes Essen, ebensolche Weine. Gute Gesellschaft, den tiefgründigen Austausch. Und St.Gallen. Zusammen mit ihrem Team hat sie die Projektidee «612», ein Guide-Magazin für St.Gallen, in die Realität umgesetzt.

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