Seit 2016 haben FDP und SVP im St.Galler Kantonsrat mehrfach mit Vorstössen auf die Lage der Spitäler aufmerksam gemacht und zum Handeln aufgerufen. So überraschend ist die Schieflage der Spitallandschaft also nicht.
2014 hat das Stimmvolk Ja gesagt zu einem umfassenden Paket an Bauvorhaben an den St.Galler Spitälern. In den Jahren danach haben sich die Umstände für Spitäler nach und nach verschlechtert, was die Finanzierung angeht.
Das ist es auch, was gemäss dem Bericht des Verwaltungsrats der St.Galler Spitalverbunde an die Regierung nun Einschnitte nötig macht. Entsprechende Empfehlungen wurden ausgearbeitet und – grob – veröffentlicht.
Die Wortwahl von Ende Mai 2018, als die Öffentlichkeit von der Lage der Spitäler erfuhr, suggerierte, dass sich die Situation schon fast über Nacht dramatisch verändert hat und deshalb nun dringende Schritte nötig seien.
«Fiasko vorprogrammiert»
Eine kleine Chronologie der Vorstösse seit Ende 2016 zeigt aber, wie oft und schon fast penetrant Politiker im Kantonsrat die Situation im St.Galler Gesundheitswesen thematisiert haben – unter Bezugnahme auf die immer grösser werdende Herausforderung:
28. November, Interpellation der Fraktionen SVP und FDP: «Spitalverbunde des Kantons St.Gallen – gerüstet für die Zukunft?»
18. September 2017, Interpellation FDP-Fraktion: «Spitalinvestitionen – Fiasko vorprogrammiert!»
19. Februar 2018, Interpellation der Fraktionen FDP und SVP: «Spitalfinanzen – wann kommt die Wahrheit auf den Tisch?»
23. April 2018, Interpellation der Fraktionen FDP und SVP: «Spitalfinanzen: Betreibt die Regierung Augenwischerei und zieht sich aus der Verantwortung?»
Die Vorstösse nahmen Bezug auf die umfangreichen Bauvorhaben, die beschlossene Sache waren, aber gleichzeitig in einem veränderten Umfeld stattfinden sollten.
Der letztgenannte Vorstoss ist noch unbeantwortet, zu den anderen hat die Regierung Stellung bezogen. So schrieb die Regierung im März 2017 beispielsweise: «Für die St.Galler Spitalverbunde werden erhebliche Anstrengungen notwendig sein, um die vom Volk beschlossenen sowie weitere geplante Investitionen langfristig finanzieren zu können.» Das klingt schon fast nach einem Vorwurf ans «Volks» und dessen Beschluss. Dabei hatte dieses Volk nur die Vorschläge von Regierung und Parlament abgesegnet.
Gruppenstrategie
Schon damals war die Rede von «Strategien für die einzelnen Spitalverbunde und einer verbundübergreifenden Gruppenstrategie.» Allfällige Veränderungen wolle man «vermehrt als Unternehmensgruppe» angehen. Sprich: Nicht jeder der vier Verbunde kocht sein eigenes Süppchen, man sucht gemeinsam nach Lösungen. Das entspricht dem, was nun über ein Jahr später vorgelegt wurde. Und es klingt logisch. Die Frage ist eher: War das früher anders, und wenn ja, weshalb?
Und augenfällig ist: Schon damals hat die Regierung angetönt, bei der Prüfung von Massnahmen stünden solche «für die Spitalregion Fürstenland-Toggenburg im Vordergrund.» Damals befanden sich die Bauarbeiten am Spital Wattwil noch in einer frühen Phase. Sie wurden aber munter weitergetrieben. Auch wenn schon im Frühjahr 2017 laut den Antworten auf die Vorstösse offenbar klar war, dass die Aufgaben zwischen Wil und Wattwil neu verteilt werden müssen.
Auch in der Antwort auf weitere Vorstösse wird immer wieder die «Gruppenstrategie» betont. Man wolle nicht einzelne Standorte beurteilen, sondern eine Gesamtbetrachtung machen. Allfällige Massnahmen, auch das steht fest, werden aber letztendlich einzelne Standorte betreffen.
Leistungsangebot überprüfen
In einer Antwort vom 6. Februar 2018 hält die Regierung fest, um die finanziellen Auswirkungen sämtlicher Investitionen tragen zu können, «sind aus heutiger Sicht einerseits Einsparungen und anderseits Tariferhöhungen notwendig.» Deshalb prüfe der Verwaltungsrat der Spitalverbunde auch das Leistungsangebot der einzelnen Standorte.
Auf diese Antwort folgte umgehend eine Rückfrage von SVP und FDP. Sie wollten wissen, was das heisse. «Welche Leistungen werden an welchen Standorten nach aktueller Planung nicht mehr angeboten?», wurde unter anderem konkret gefragt.
Die regierungsrätliche Antwort drauf kam rund fünf Wochen später. Man berief sich dort auf die laufende Überprüfung, mit der man sich im Mai 2018 auseinandersetzen werde. Heute könne man die Auswirkungen auf die einzelnen Spitalstandorte noch nicht beschreiben. Weil die Aufgaben rechtlich klar verteilt sind, konnte sich die Regierung auch problemlos auf «Nichtwissen» berufen: Sie war nicht in das Überprüfungsprojekt einbezogen, das lag bei den Spitalverbunden.
Im Parlament war man damit nicht glücklich. Postwendend kamen erneut Fragen, verbunden mit dem Hinweis: «Will man sich zum aktuellen Zeitpunkt über die Lage der Spitalfinanzen informieren, ist man offensichtlich besser beraten, sich auf die Berichterstattung der Medien zu verlassen als auf die Informationen der Regierung.»
Komplexe Strukturen
Es wird klar: Die missliche Lage der Finanzen der St.Galler Spitäler war zumindest in den Reihen von FDP und SVP schon lange ein Thema. Aber das komplexe Konstrukt mit den Spitalverbunden und den aufgeteilten Kompetenzen zwischen ihnen und der Regierung machte es unmöglich, schlüssige Antworten zu erhalten. Der Kantonsrat kann nur auf die Regierung zurückgreifen, und diese wiederum berief sich wieder und wieder darauf, dass gewisse Fragen bei den Spitalverbunden liegen.
Die Spitalverbunde wiederum agieren also weitgehend fernab von der Politik, und zum Zeitpunkt, zu dem sie die Regierung über die Situation informierten und Vorschläge machten, hatte sich die Lage bereits weiter verschlechtert.
Den Parlamentariern kann man jedenfalls nicht vorwerfen, sie hätten die Sache verschlafen. Sie hatten offenbar die Schieflage erkannt. So überraschend, wie die Meldung über eine Neugestaltung der St.Galler Spitallandschaft wirken mag, ist sie im Nachhinein besehen nicht.
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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