Die Verantwortlichen der Säntis Schwebebahn AG haben Stellung bezogen zum Niedergang der Lawine, von der auch das Hotel Säntis betroffen war. Gleichzeitig kommen erste Vorwürfe auf: Weil die Lawinengefahr am Vortag als «gross» eingestuft war, hätte man bereits dann reagieren müssen, meinen einige.
Die Lawine auf der Schwägalp überraschte die Gäste des Hotel Säntis beim laufenden Betrieb, bei Kaffee und Kuchen oder beim Essen. Sie wähnten sich in Sicherheit.
Eine Sicherheit, die es so nicht gab, und das hätte bekannt sein müssen, findet der «Blick». Er verweist auf das Institut für Schnee- und Lawinenforschung, das für das Gebiet Schwägalp am 8. Januar die Lawinenwarnstufe 3 («erhebliche Gefahr») ausgegeben habe - und am 9. Januar diese Beurteilung sogar auf Stufe 4 angehoben habe, also «grosse Gefahr». Für die «Blick»-Journalisten steht fest: «Spätestens jetzt hätte im Hotel höchste Alarmstimmung herrschen müssen.»
Demgegenüber stehen die Aussagen von Polizei und seitens der Säntis Schwebebahn AG. Die Kantonspolizei Ausserrhoden verweist darauf, dass es in diesem Gebiet auch schon Lawinen gegeben habe, doch am bewussten Hang habe sich noch nie eine gelöst.
Zur trügerischen Sicherheit beigetragen hat möglicherweise, dass es in den Tagen vor dem Lawinenniedergang nicht ausserordentlich viel Neuschnee gegeben hatte. Am 5. Januar war der erste Schub gekommen, am 8. und 9. Januar waren dann jeweils etwas über 30 Zentimeter dazugekommen. Am eigentlichen Unglückstag waren es dann bescheidenere 20 Zentimeter gewesen. Aber alles in allem hatte sich damit doch eine Neuschneedecke von rund 130 Zentimetern gebildet.
Relativ unverklausuliert erheben die Journalisten auch den Vorwurf mangelnder Vorbereitung. Dass das Hotel in einem Lawinengebiet liege, sei bekannt gewesen. Deshalb hätte man bei zu grosser Lawinengefahr das Hotel evakuieren oder gezielte Lawinensprengungen durchführen müssen.
Der Verweis der Verantwortlichen der Säntis Schwebebahn AG, dass etwas in dieser Art in den letzten 85 Jahren noch nie passiert sei, wirkt in diesem Zusammenhang natürlich etwas hilflos. Ganz nach dem Motto: Einmal ist immer das erste Mal. Der «Blick» kommentiert süffisant: «Heisst: Man liess sich im Lawinengefahrengebiet von einer Lawine überraschen.»
Wie es zur Lawine im konkreten Fall kommen konnte, wird derzeit untersucht. Sicher ist: Die kritischen Fragen werden bis zum Vorliegen der Resultate nicht verstummen. Vielleicht auch nicht darüber hinaus.
Zeit, sich um die Vorwürfe zu kümmern, haben die Beteiligten ohnehin nicht. Sie müssen nun in erster Linie sicherstellen, dass sich niemand unter den Schneemassen befindet.
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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