logo

FDP-Ständerat Caroni zu Lobbying im Bundeshaus

«Sie wollen den Badge so wenig hergeben wie ein Hund seinen Knochen»

Derzeit wird eine Minireform in Sachen mehr Transparenz im Bundeshaus behandelt. Weitergehende Vorschläge hatten früh keine Chancen. Der Ausserrhoder Ständerat Andrea Caroni (FDP) schildert die Mechanismen im Parlament, die zu Missbrauch des Amts einladen könnten.

Stefan Millius am 09. Dezember 2019

Im Bundeshaus zu Bern tummeln sich weit mehr als die 246 Bundesparlamentarier, die sieben Bundesräte und die Verwaltung. Jeder National- und Ständerat kann bekanntlich zwei Zutritts-Badges nach freiem Ermessen abgeben; für ihre Empfänger ist das Bundeshaus danach offen wie ein Scheunentor. Diesen Badge abzuschaffen: Das war schon früh die Idee einiger Parlamentarier, darunter auch Andrea Caroni (FDP AR). Denn sie werden oft genutzt, um Lobbyisten den Zugang in die Wandelhalle zu verschaffen. Allerdings zeigte sich bald, dass die wenigsten Parlamentarier für die Abschaffung zu gewinnen sind. Oder wie es Ständerat Andrea Caroni ausdrückt: «Viele wollen ihre Badges so wenig hergeben wie ein Hund seinen Knochen.»

Deshalb mündeten die Bemühungen bald in ein Minimum, das politisch vielleicht durchsetzbar ist: Mehr Transparenz zu schaffen, um wenigstens klar zu wissen, wer im Bundeshaus unterwegs ist, indem diese Leute das ausweisen müssen. Das gilt auch für einen Fall, der vielen nicht bekannt ist. Denn auch ehemalige Parlamentarier haben einen solchen Badge, können also auch nach dem Ende der politischen Karriere im Bundeshaus ein- und ausgehen. «Wenn sie einen Auftrag haben, um zu lobbyieren, müssen sie das nach diesem Vorschlag ebenfalls offenlegen», so Caroni. Das sei zu begrüssen, weil so «Tarnlobbyisten» verhindert werden – auch wenn der Ausserrhoder selbst weiter gehen und den Badge für alt Parlamentarier abschaffen würde, weil sie «servir et disparaître» sollten - nach verdienstvoller getaner Arbeit also gehen.

Ein weiteres Problem sind die sogenannten Tagesgäste. Sie brauchen keinen Badge, weil sie auf Einladung eines National- oder Ständerats gewissermassen zu Besuch kommen. Es mag solche geben, die einfach interessehalber des Bundeshaus von innen sehen wollen. Doch wird damit auch Lobbyisten ermöglicht, zumindest am bewussten Tag zu weibeln. Hier ist nun vorgesehen, dass Tagesgäste ohne einen Badge an der Seite des Parlamentariers bleiben müssen, den sie besuchen und nicht einfach durch diesen «eingeschleust» werden und sich dann frei bewegen können.

Im Ständerat ist die «Minireform» durch, der Nationalrat ist auf das Geschäft zumindest eingetreten. Laut Andrea Caroni gibt es aber auch in der vorberatenden Kommission des Nationalrats auseinandergehende Meinungen. Von Leuten, die totale Transparenz wollen über diejenigen, die finden, das Minimum reiche bis hin zu denen, die an der heutigen Regelung festhalten wollen.

Was oft vergessen gehe beim Thema Lobbying, so Andrea Caroni, sei die Rolle der Parlamentarier selbst. Es gebe solche, die unzählige «Hüte» von Interessengruppierungen, Unternehmen oder Verbänden tragen und deren Partikularinteressen vertreten – und von diesen bezahlt werden. Der andere Ansatz sei der, welchen er selbst verfolge: «Ich höre mir gerne alle Argumente von allen Seiten an, aber ich trage niemandes Hut - ausser den meines Kantons.»

Problematisch seien «gekaufte» Interessenvertreter vor allem in den Kommissionen, hier besteht laut Caroni die Gefahr, dass Parlamentarier gewissermassen «als Söldner» wirken und Direktiven von ihren Auftraggebern erhalten. Die Staatspolitische Kommission des Ständerats hat sich mit dem Thema bereits befasst und es an den Nationalrat weitergereicht. Die Idee: Wer ein konkretes Lobbymandat hat, darf nicht in einer Kommission Einsitz nehmen, die das entsprechende Thema oder die Branche zum Inhalt hat. Es sei denn, ein bestehendes Kommissionsmitglied habe die Verflechtung den Stimmberechtigten schon vor seiner Wahl transparent gemacht.

Für Caroni ist klar: Verfügt jemand aus beruflichen oder anderen Gründen über Fachkenntnis zum Beispiel im Bereich Gesundheit, mag es durchaus sinnvoll sein, dass der Parlamentarier in der entsprechenden Kommission sitzt und dort seine Kompetenz einbringt. «Aber das kann jemand auch tun, ohne von einem Verband oder Unternehmen bezahlt zu werden», so der Ausserrhoder. Denn dann sei auch klar, dass er im Zweifelsfall gegen die Interessen der entsprechenden Organisation entscheiden kann – was dann, wenn er bezahlt wird, wohl weitaus schwieriger ist. «Man sollte kein Geld erhalten, nur weil man ein bestimmtes Amt hat, sonst kommen wir in den Dunstkreis der gekauften Politik», stellt Caroni fest.

Schon heute darf man sich nicht für sein Abstimmungsverhalten oder für das Einreichen von Vorstössen bezahlen lassen. Allerdings sind die vorberatenden Kommissionen mächtig, und in diesen Vertreter zu haben, die sich bezahlen lassen für die Mitgliedschaft in der Kommission – das sehen Caroni und einige andere als störend an.

Selbst habe er keinerlei Mandate, die ihn in seiner Unabhängigkeit als Ständerat beschneiden, stellt Caroni klar. Komme ein Unternehmen auf ihn in seiner Eigenschaft als Anwalt zu, laute seine Antwort stets: «Ihr könnt mich engagieren, damit ihr nach heutiger Gesetzeslage zu eurem Recht kommt, aber nicht, damit ich als Politiker für euch das Gesetz ändere.»

Einige Highlights

Uzwilerin mit begrenzter Lebenserwartung

Das Schicksal von Beatrice Weiss: «Ohne Selbstschutz kann die Menschheit richtig grässlich sein»

am 11. Mär 2024
Im Gespräch mit Martina Hingis

«…und das als Frau. Und man verdient auch noch Geld damit»

am 19. Jun 2022
Das grosse Gespräch

Bauernpräsident Ritter: «Es gibt sicher auch schöne Journalisten»

am 15. Jun 2024
Eine Analyse zur aktuellen Lage

Die Schweiz am Abgrund? Wie steigende Fixkosten das Haushaltbudget durcheinanderwirbeln

am 04. Apr 2024
DG: DG: Politik

«Die» Wirtschaft gibt es nicht

am 03. Sep 2024
Gastkommentar

Kein Asyl- und Bleiberecht für Kriminelle: Null-Toleranz-Strategie zur Sicherheit der Schweiz

am 18. Jul 2024
Gastkommentar

Falsche Berechnungen zu den AHV-Finanzen: Soll die Abstimmung zum Frauenrentenalter wiederholt werden?

am 15. Aug 2024
Gastkommentar

Grenze schützen – illegale Migration verhindern

am 17. Jul 2024
Sensibilisierung ja, aber…

Nach Entführungsversuchen in der Ostschweiz: Wie Facebook und Eltern die Polizeiarbeit erschweren können

am 05. Jul 2024
Pitbull vs. Malteser

Nach dem tödlichen Übergriff auf einen Pitbull in St.Gallen: Welche Folgen hat die Selbstjustiz?

am 26. Jun 2024
Politik mit Tarnkappe

Sie wollen die angebliche Unterwanderung der Gesellschaft in der Ostschweiz verhindern

am 24. Jun 2024
Paralympische Spiele in Paris Ende August

Para-Rollstuhlfahrerin Catherine Debrunner sagt: «Für ein reiches Land hinkt die Schweiz in vielen Bereichen noch weit hinterher»

am 24. Jun 2024
Politik extrem

Paradox: Mit Gewaltrhetorik für eine humanere Gesellschaft

am 10. Jun 2024
Das grosse Bundesratsinterview zur Schuldenbremse

«Rechtswidrig und teuer»: Bundesrätin Karin Keller-Sutter warnt Parlament vor Verfassungsbruch

am 27. Mai 2024
Eindrucksvolle Ausbildung

Der Gossauer Nicola Damann würde als Gardist für den Papst sein Leben riskieren: «Unser Heiliger Vater schätzt unsere Arbeit sehr»

am 24. Mai 2024
Zahlen am Beispiel Thurgau

Asylchaos im Durchschnittskanton

am 29. Apr 2024
Interview mit dem St.Galler SP-Regierungsrat

Fredy Fässler: «Ja, ich trage einige Geheimnisse mit mir herum»

am 01. Mai 2024
Nach frühem Rücktritt: Wird man zur «lame duck»?

Exklusivinterview mit Regierungsrat Kölliker: «Der Krebs hat mir aufgezeigt, dass die Situation nicht gesund ist»

am 29. Feb 2024
Die Säntis-Vermarktung

Jakob Gülünay: Weshalb die Ostschweiz mehr zusammenarbeiten sollte und ob dereinst Massen von Chinesen auf dem Säntis sind

am 20. Apr 2024
Neues Buch «Nichts gegen eine Million»

Die Ostschweizerin ist einem perfiden Online-Betrug zum Opfer gefallen – und verlor dabei fast eine Million Franken

am 08. Apr 2024
Gastkommentar

Weltweite Zunahme der Christenverfolgung

am 29. Mär 2024
Aktionswoche bis 17. März

Michel Sutter war abhängig und kriminell: «Ich wollte ein netter Einbrecher sein und klaute nie aus Privathäusern»

am 12. Mär 2024
Teuerung und Armut

Familienvater in Geldnot: «Wir können einige Tage fasten, doch die Angst vor offenen Rechnungen ist am schlimmsten»

am 24. Feb 2024
Naomi Eigenmann

Sexueller Missbrauch: Wie diese Rheintalerin ihr Erlebtes verarbeitet und anderen Opfern helfen will

am 02. Dez 2023
Best of 2023 | Meine Person des Jahres

Die heilige Franziska?

am 26. Dez 2023
Treffen mit Publizist Konrad Hummler

«Das Verschwinden des ‘Nebelspalters’ wäre für einige Journalisten das Schönste, was passieren könnte»

am 14. Sep 2023
Neurofeedback-Therapeutin Anja Hussong

«Eine Hirnhälfte in den Händen zu halten, ist ein sehr besonderes Gefühl»

am 03. Nov 2023
Die 20-jährige Alina Granwehr

Die Spitze im Visier - Wird diese Tennisspielerin dereinst so erfolgreich wie Martina Hingis?

am 05. Okt 2023
Podcast mit Stephanie Stadelmann

«Es ging lange, bis ich das Lachen wieder gefunden habe»

am 22. Dez 2022
Playboy-Model Salomé Lüthy

«Mein Freund steht zu 100% hinter mir»

am 09. Nov 2022
Neue Formen des Zusammenlebens

Architektin Regula Geisser: «Der Mensch wäre eigentlich für Mehrfamilienhäuser geschaffen»

am 01. Jan 2024
Podcast mit Marco Schwinger

Der Kampf zurück ins Leben

am 14. Nov 2022
Hanspeter Krüsi im Podcast

«In meinem Beruf gibt es leider nicht viele freudige Ereignisse»

am 12. Okt 2022
Stölzle /  Brányik
Autor/in
Stefan Millius

Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.

Hier klicken, um die Mobile App von «Die Ostschweiz» zu installieren.