Derzeit wird eine Minireform in Sachen mehr Transparenz im Bundeshaus behandelt. Weitergehende Vorschläge hatten früh keine Chancen. Der Ausserrhoder Ständerat Andrea Caroni (FDP) schildert die Mechanismen im Parlament, die zu Missbrauch des Amts einladen könnten.
Im Bundeshaus zu Bern tummeln sich weit mehr als die 246 Bundesparlamentarier, die sieben Bundesräte und die Verwaltung. Jeder National- und Ständerat kann bekanntlich zwei Zutritts-Badges nach freiem Ermessen abgeben; für ihre Empfänger ist das Bundeshaus danach offen wie ein Scheunentor. Diesen Badge abzuschaffen: Das war schon früh die Idee einiger Parlamentarier, darunter auch Andrea Caroni (FDP AR). Denn sie werden oft genutzt, um Lobbyisten den Zugang in die Wandelhalle zu verschaffen. Allerdings zeigte sich bald, dass die wenigsten Parlamentarier für die Abschaffung zu gewinnen sind. Oder wie es Ständerat Andrea Caroni ausdrückt: «Viele wollen ihre Badges so wenig hergeben wie ein Hund seinen Knochen.»
Deshalb mündeten die Bemühungen bald in ein Minimum, das politisch vielleicht durchsetzbar ist: Mehr Transparenz zu schaffen, um wenigstens klar zu wissen, wer im Bundeshaus unterwegs ist, indem diese Leute das ausweisen müssen. Das gilt auch für einen Fall, der vielen nicht bekannt ist. Denn auch ehemalige Parlamentarier haben einen solchen Badge, können also auch nach dem Ende der politischen Karriere im Bundeshaus ein- und ausgehen. «Wenn sie einen Auftrag haben, um zu lobbyieren, müssen sie das nach diesem Vorschlag ebenfalls offenlegen», so Caroni. Das sei zu begrüssen, weil so «Tarnlobbyisten» verhindert werden – auch wenn der Ausserrhoder selbst weiter gehen und den Badge für alt Parlamentarier abschaffen würde, weil sie «servir et disparaître» sollten - nach verdienstvoller getaner Arbeit also gehen.
Ein weiteres Problem sind die sogenannten Tagesgäste. Sie brauchen keinen Badge, weil sie auf Einladung eines National- oder Ständerats gewissermassen zu Besuch kommen. Es mag solche geben, die einfach interessehalber des Bundeshaus von innen sehen wollen. Doch wird damit auch Lobbyisten ermöglicht, zumindest am bewussten Tag zu weibeln. Hier ist nun vorgesehen, dass Tagesgäste ohne einen Badge an der Seite des Parlamentariers bleiben müssen, den sie besuchen und nicht einfach durch diesen «eingeschleust» werden und sich dann frei bewegen können.
Im Ständerat ist die «Minireform» durch, der Nationalrat ist auf das Geschäft zumindest eingetreten. Laut Andrea Caroni gibt es aber auch in der vorberatenden Kommission des Nationalrats auseinandergehende Meinungen. Von Leuten, die totale Transparenz wollen über diejenigen, die finden, das Minimum reiche bis hin zu denen, die an der heutigen Regelung festhalten wollen.
Was oft vergessen gehe beim Thema Lobbying, so Andrea Caroni, sei die Rolle der Parlamentarier selbst. Es gebe solche, die unzählige «Hüte» von Interessengruppierungen, Unternehmen oder Verbänden tragen und deren Partikularinteressen vertreten – und von diesen bezahlt werden. Der andere Ansatz sei der, welchen er selbst verfolge: «Ich höre mir gerne alle Argumente von allen Seiten an, aber ich trage niemandes Hut - ausser den meines Kantons.»
Problematisch seien «gekaufte» Interessenvertreter vor allem in den Kommissionen, hier besteht laut Caroni die Gefahr, dass Parlamentarier gewissermassen «als Söldner» wirken und Direktiven von ihren Auftraggebern erhalten. Die Staatspolitische Kommission des Ständerats hat sich mit dem Thema bereits befasst und es an den Nationalrat weitergereicht. Die Idee: Wer ein konkretes Lobbymandat hat, darf nicht in einer Kommission Einsitz nehmen, die das entsprechende Thema oder die Branche zum Inhalt hat. Es sei denn, ein bestehendes Kommissionsmitglied habe die Verflechtung den Stimmberechtigten schon vor seiner Wahl transparent gemacht.
Für Caroni ist klar: Verfügt jemand aus beruflichen oder anderen Gründen über Fachkenntnis zum Beispiel im Bereich Gesundheit, mag es durchaus sinnvoll sein, dass der Parlamentarier in der entsprechenden Kommission sitzt und dort seine Kompetenz einbringt. «Aber das kann jemand auch tun, ohne von einem Verband oder Unternehmen bezahlt zu werden», so der Ausserrhoder. Denn dann sei auch klar, dass er im Zweifelsfall gegen die Interessen der entsprechenden Organisation entscheiden kann – was dann, wenn er bezahlt wird, wohl weitaus schwieriger ist. «Man sollte kein Geld erhalten, nur weil man ein bestimmtes Amt hat, sonst kommen wir in den Dunstkreis der gekauften Politik», stellt Caroni fest.
Schon heute darf man sich nicht für sein Abstimmungsverhalten oder für das Einreichen von Vorstössen bezahlen lassen. Allerdings sind die vorberatenden Kommissionen mächtig, und in diesen Vertreter zu haben, die sich bezahlen lassen für die Mitgliedschaft in der Kommission – das sehen Caroni und einige andere als störend an.
Selbst habe er keinerlei Mandate, die ihn in seiner Unabhängigkeit als Ständerat beschneiden, stellt Caroni klar. Komme ein Unternehmen auf ihn in seiner Eigenschaft als Anwalt zu, laute seine Antwort stets: «Ihr könnt mich engagieren, damit ihr nach heutiger Gesetzeslage zu eurem Recht kommt, aber nicht, damit ich als Politiker für euch das Gesetz ändere.»
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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