Ernst M., der Hauptverdächtige in der Brandstiftung auf dem Raduner-Areal in Horn, wurde über lange Zeit nach allen Regeln der Kunst überwacht. Es gab Observationen, es gab eine telefonische Überwachung - und auch ein verdeckter Ermittler wurde auf ihn angesetzt.
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Teil 4. Der verdeckte Ermittler tritt auf den Plan
Am 5. Februar 2019 um 8 Uhr trifft Ernst M. als beschuldigte Person bei der Staatsanwaltschaft Bischofszell ein. Mit dabei: Sein amtlicher Verteidiger, der Verfahrensleiter und ein Mann vom Brandermittlungsdienst. Zwei Stunden und zwölf Minuten lang wird M. befragt - nicht zum ersten Mal. Er wird konfrontiert mit Fragen zu seinem aktuellen Alltag, über die momentane Situation bei der Respo, aber auch einmal mehr zum Brandfall. Die Frage, ob er mit diesem etwas zu tun gehabt habe, verneint Ernst M. wie bei früheren Befragungen deutlich.
Im Zug der Einvernahme wird Ernst M. erstmals mit einigen unangenehmen Fakten konfrontiert. Man sagt ihm, dass sein Telefonanschluss seit der Entlassung aus der Untersuchungshaft im Dezember 2015 bis zum 24. Mai 2017 überwacht worden war. Was er dazu zu sagen habe, wird er gefragt.
M. reagiert gemäss Protokoll relativ gelassen:
«Das weiss ich doch nicht. Vermutet habe ich das schon. Ich habe ja nichts zu verbergen. Sonst hätte ich das Telefon wechseln können. Das mache ich ja nicht.»
Handfeste Beweise scheint die Telefonüberwachung nicht ergeben zu haben. Den Ermittlern ist lediglich aufgefallen, dass M. seine Gesprächspartner oft unterbrach und um ein persönliches Gespräch bat. Auch habe er das Thema gewechselt, sobald das Gegenüber auf den Brandfall zu sprechen gekommen sei.
Ausserdem fanden im selben Zeitraum mehrere Observationseinsätze statt. Ernst M. will dazu nichts sagen.
Und schliesslich wurde in einem - langen - Zeitraum vom 29. August 2016 bis zum 29. April 2018 ein verdeckter Ermittler der Polizei eingesetzt, wie ihm der Verfahrensleiter eröffnet. Und er erklärt M., was darunter zu verstehen ist:
«Wenn unter anderem ein Polizeiangehöriger unter einer falschen Identität und unter Verwendung von entsprechenden Urkunden durch täuschendes Verhalten zur Zielperson Kontakte knüpft, um ein Vertrauensverhältnis aufzubauen und besonders schwere Straftaten aufzuklären.»
Ernst M. wird gefragt, ob er das verstanden habe:
«So halb.»
Konkret hatte sich der verdeckte Ermittler ins Leben von Ernst M. geschlichen und dessen Vertrauen gewonnen. Das war ein langer Prozess. Erst als die Basis für eine persönliche Beziehung gelegt war, konnte es sich der Polizist erlauben, auch mal sensible Themen anzusprechen - wie den Brand.
Der weitere Verlauf der Einvernahme dreht sich um die Erkenntnisse des verdeckten Ermittlers. Es zeigt sich schnell: Sie sind mager. Der Verfahrensleiter konfrontiert Ernst M. in erster Linie mit «weichen» Punkten. So soll sich M. gegenüber dem Undercover-Mann einst stolz über einen «Blick»-Artikel mit der Erwähnung seines Namens geäussert haben. M. dementiert das. Zudem sprach der Tatverdächtige allgemein über Brandstiftungen und wie leicht ein Feuer mit Benzin und einer Kerze zu bewerkstelligen gewesen wäre. M. antwortet, er habe dort vom Grossbrand in Arbon gesprochen, nicht von dem in Horn.
Und dann war die Sache mit dem Auto. Der verdeckte Ermittler biss sich an der Tatsache fest, dass Ernst M. einen auffälligen BMW Z8 fuhr, der ihm seiner Aussage nicht gehörte, sondern von seinem Freund und Geschäftspartner Ralf K. geliehen worden sei - wie auch schon andere Fahrzeuge. Gegenüber dem Ermittler liess sich M. mehrfach zu Bemerkungen hinreissen wie solchen, er sollte sich derzeit nicht mit einem solchen Auto sehen lassen. Damit konfrontiert, weicht M. aus. Er mache so etwas nicht (ein solches Auto fahren), «wenn ich unter Aufsicht stehe»
Auch, ob ihm der BMW inzwischen selbst gehöre, beantwortet der Hauptverdächtige ausweichend.
«Der ist noch nicht mir gewesen. Der ist immer Herrn K. gewesen. So viel ich weiss, hat er ihn immer noch.»
Und dann schwenkt das Gespräch ganz auf Ralf K. um, der auf geschäftlicher und privater Basis Ernst M. gut kannte. M. habe ihn früher als «Kollegen» bezeichnet, nun als «Freund». Der Verfahrensleiter will wissen, wie das komme. Es entspannt sich ein Dialog über den Unterschied. K. verkehre «mit Leuten mit viel Geld, nicht wie ich», für ihn sei er ein Kollege, sagt M.
War Ernst M. bisher zwar nicht gerade redselig, aber doch halbwegs ausführlich, verändert sich die Einvernahme nun. Rund vier Seiten des Protokoll lang wird Ernst M. mit Aussagen konfrontiert, die er gegenüber dem verdeckten Vermittler gemacht hat und auf die er mit «Kein Kommentar» oder «Auch kein Kommentar» reagiert. Auch hier sind es keine harten Beweise oder wenigstens deutliche Indizien, sondern eher atmosphärische Dinge. Mal habe sich Ernst M. in einem Gespräch rund um den Grossbrand beispielsweise grinsend als «bauernschlau» bezeichnet.
Oder dann eine andere Passage, die zeigt, wie Einvernahmen aufgebaut sind. Gegenüber dem verdeckten Ermittler - der mittlerweile auch bei Ernst M. zuhause empfangen wurde - kam die Debatte auf einen Brand in Egnach. Der Ermittler, den sein Gegenüber mittlerweile für einen Freund hält, fragte Ernst M., ob er dafür auch verantwortlich sei, und M. dementierte. Dass er nicht im gleichen Atemzug erklärte, dass er auch mit dem Brand auf dem Raduner-Areal in Horn etwas zu tun hat, scheint den Ermittlern verdächtig. M.: «Kein Kommentar.»
Das Ziel der Konfrontation mit den Gesprächen zwischen M. und dem verdeckten Ermittler ist offensichtlich: Man will M. aus der Fassung bringen. Es scheint zumindest auf der Grundlage der schriftlichen Aufzeichnung nicht zu gelingen.
Um 10.12 Uhr wird die Einvernahme beendet. Die insgesamt 22 Seiten Protokoll zeigen: Ernst M. hat gegenüber dem verdeckten Ermittler immer mal wieder ein seltsames, in den Augen der Ermittler sicher verdächtigtes Verhalten an den Tag gelegt. Aber wie stark auch das aufgebaute Vertrauensverhältnis war, M. hat gegenüber dem Undercover-Polizisten nie eine Schuld zugegeben.
Es ist keine besonders überzeugende Ausbeute einer verdeckten Ermittlung von rund 20 Monaten.
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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