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Gastkommentar

Die FDP und die «Chämifeger»

Legt euch nicht mit Kaminfegern an. Denn was auch immer geschieht, sauber kommt ihr nicht davon. Im Streit um das CO2-Gesetz mit der Organisation Kaminfeger Schweiz hat die FDP ihren liberalen Ruf beschmutzt.

Andrea Seaman am 07. Juni 2021

Die Kaminfeger, weise wie sie sind, lehnen das vorgeschlagene Gesetz ab. Die FDP-Spitze bildet sich jedoch ein, das CO2-Gesetz könne mit liberalen Prinzipien vereinbart werden.

Nehmen sie Beat Walti, FDP-Nationalrat und -Fraktionschef. Walti findet, «mit dem CO2-Gesetz werden bewährte liberale Instrumente weitergeführt und ausgebaut.» Mit diesen bestehenden Instrumenten sind CO2-Abgaben auf Brennstoffe gemeint, die durch das neue Gesetz erhöht und auf Flugtickets ausgeweitet würden. Diese Steuern sind natürlich Lenkungsabgaben.

Lenkungsabgaben existieren aber, um die Masse der Konsumenten zu lenken beziehungsweise umzuerziehen. Ein Befürworter von Lenkungsabgaben hat folglich ein zutiefst missratenes, illiberales Menschenbild. Leute wie Walti halten den Menschen nicht für mündig noch zu einer vernünftigen Diskussion und Entscheidung fähig. Sie wollen ihre Mitbürger nicht überzeugen, eher ökonomisch zwingen. Der rationale Mensch weicht somit dem sich vor wirtschaftlichem Schaden scheuenden Konsumenten.

Mit einem solchen Menschenbild ist es wohl auch kein Wunder, dass Politiker wie Walti oder FDP-Präsidentin Petra Gössi paternalistische Verbote gutheissen. Ja, es stimmt: Walti behauptet stur und fest, dass seine Lenkungsabgaben keine Verbote sind, sondern genau dazu existieren, um Verbote zu verhindern. Aber schenken sie ihm bei diesem Argument ihr Nicken nicht, und gestatten sie es viel weniger, dass Herr Walti sich nach solch einer Behauptung noch als liberal bezeichnen kann. Hören sie lieber auf John Stuart Mill.

Mill, der grosse englische Repräsentant und Philosoph des Liberalismus identifizierte in seinem berühmten Werk On Liberty (1859) Lenkungsabgaben als Verbote, und nagelte es am Beispiel von Alkohol fest:

«Die Besteuerung von Genussmitteln zu dem alleinigen Zweck, ihre Erhältlichkeit zu erschweren, ist eine Massnahme, die sich nur im Grad von ihrem vollständigen Verbot unterscheidet, und wäre nur dann gerechtfertigt, wenn dieses gerechtfertigt wäre.»

Weshalb soll eine Lenkungsabgabe nur eine Art Verbot sein? Mill erörtert:

«Jede Erhöhung der Kosten ist ein Verbot für diejenigen, deren Mittel nicht ausreichen, um den erhöhten Preis zu bezahlen; und für diejenigen, die [das Geld trotzdem bezahlen], ist es eine Strafe, die ihnen auferlegt wird, um einen bestimmten Geschmack zu befriedigen.»

Walti und Gössi haben J. S. Mill anscheinend nicht gelesen oder sich seine Worte vielleicht nicht zu Herzen genommen. Eines ist klar: Liberal sind sie nicht. Ihnen ist’s recht, wenn im Anschluss auf erhöhte Lenkungsabgaben die ärmeren Schichten auf Flüge und Autofahrten und Heizzeit im Winter verzichten müssen, wobei die Reichen ihr petit rien bedenkenlos ausgeben, um ihrem Jetset-Dasein als privilegierte CO2-Oligarchie gerecht zu werden.

Dieses CO2-Gesetz wird unsere Gesellschaft nur noch mehr entzweien und, dem Covid-19 Gesetz ähnlich, eine Zweiklassengesellschaft fördern. Nicht nur, weil den unteren Schichten verboten wird, was den reicheren für eine Sündensteuer zugänglich bleibt. Zusätzlich würde die moderne Priesterklasse befeuert, bestehend aus Reichen, grünen Aktivisten und Greta Thunberg als heilige Prophetin, welche uns allen von einer haushohen Kanzel aus Verzicht auf einen westlichen Lebensstil predigen würden. Aber diese Kanzel wäre eine der Heuchelei, denn sie wäre aus CO2-Zertifikaten gebaut, die als Ablassbriefe die unverkennbare Spur des luxuserkrankten westlichen Lebens bilden.

Den Klimawandel, die globale Erwärmung gibt es. Diese Erwärmung ist allerdings keineswegs so schlimm, wie man sie uns ausmalt. Das Verlangen, unsere Freiheit durch Sündensteuern, Verbote für Arme und Privilegien für Reiche zu beschneiden, darf jedenfalls nie als liberal verkannt werden. Wahre Liberale zwingen die Leute nicht, ihr Verhalten zu ändern. Sie versuchen, sie zu überzeugen, und geben ihnen dann die Wahl. Um die Bedeutung des beschmutzten Namens der Partei „Die Liberalen“ wiederherzustellen, reichen all die Kaminfeger der Schweiz nicht aus. Es wäre an der Zeit, eine solche anti-liberale FDP abzuschaffen.

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Autor/in
Andrea Seaman

Andrea Seaman ist  Masterstudent in Philosophie und Geschichte an der Universität Fribourg. Er schreibt für das Onlinemagazin NovoArgumente und für Spiked Online und ist Vorstandsmitglied beim Diskussionsforums «Zurich Salon».

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