Mit Schwung in die Regierungswahlen: Kantonalpräsident Raphael Frei, Regierungsrat Marc Mächler und Regierungskandidat Beat Tinner. (Bild: mba)
Wenn die Nomination von Beat Tinner zum St.Galler Regierungskandidaten auch gesittet verlief: Gewisse Spannungen innerhalb der Partei lagen deutlich in der Luft. Unsere Erkenntnisse aus der FDP-Versammlung.
Alles was in der St.Galler freisinnigen Politszene Rang und Namen hat, traf am Donnerstagabend, 24. Oktober, im Saal des Oberstufenzentrums Uznach ein. Schliesslich galt es zu entscheiden, wen man für die Nachfolge von Regierungsrat Martin Klöti ins Rennen schickt. Wie wir bereits berichtet haben, setzte sich Fraktionspräsident Beat Tinner mit einem klaren Resultat gegen Christine Bolt vom «Tagblatt» durch. Der Politroutinier verwies die Quereinsteigerin in die Schranken.
Bevor es zur geheimen Wahl kam, gab es in gleichem Masse Voten für Tinner wie auch für Bolt. Die Stimmen aus dem Tinner-Lager hoben dessen langjährige Erfahrung im politischen Bereich wie auch dessen Einsatz für die Partei hervor. Jene aus dem Bolt-Lager sprachen sich für ein frisches und modernes Bild der Partei aus, welches durch die 43-Jährige eher vermittelt werden könne als durch den altgedienten Gemeindepräsidenten von Wartau. Wohlgemerkt: Auch Tinner gehört mit seinen 48 Jahren noch nicht zum alten Eisen.
Amüsant für die Zuhörer – wohl aber weniger für den im Anschluss gekürten Regierungskandidaten – waren Bemerkungen hinsichtlich der optischen Erscheinung und der damit verbundenen Wählbarkeit der beiden Personen. Schon eher den Finger in die Wunde legte aber ein Votum, dass sich quasi für eine Frischzellenkur der FDP stark macht. Hier zeigte sich deutlich: Im Saal gab es zwei Lager, nicht nur im Bezug auf die Kandidaten sondern auch was die Grundausrichtung der Partei anbelangt. Da jene, die für eine sanfte Erneuerung gerade auch bei der Personalpolitik einstehen und die Themen des Wahlsonntags – Urbanität und Frauen – als Pfeiler der künftigen Erfolge sehen, hier jene, die es für unabdingbar betrachten, dass sich eine Politikerin oder ein Politiker die Sporen abverdienen muss, bevor er sich für höhere Ämter empfiehlt.
Der Entscheid fiel letztlich deutlich für das «Bewährte» aus. Bolts Präsentation war solide. Allerdings zeigte sich im Vergleich mit Tinner deutlich, dass sich dieser nicht nur Auftritte in vollbesetzten Sälen gewohnt ist, sondern er auch bei jedem Thema auf bereits gemachte Erfahrungen zurückgreifen kann. Tinner könnte als neuer Regierungsrat ohne Frage vom ersten Tage an Taten folgen lassen, ohne sich zuerst in gewisse Mechanismen einarbeiten zu müssen. Das war spürbar und dürfte letztlich auch den einen oder anderen noch Unentschlossenen auf die Seite des Wartauers gezogen haben.
Ein Killerargument gegen Bolt brachte wohl Rolf Huber, Gemeindepräsident von Oberriet, ein. Dass man die Abtwilerin nicht auf der Liste der Nationalratskandidaten widergefunden habe, sei inakzeptabel. Bolt habe damit gegen die Spielregeln verstossen, wonach eine Regierungskandidatin diesen «Test» zwingend antreten müsse. Was in diesem Zusammenhang am Abend nicht erwähnt wurde: Bolt wurde als Kandidatin für die Regierung erst ernsthaft in Erwägung gezogen, als die Nationalratsliste der FDP bereits fix und abgesegnet war.
Fazit zu Beat Tinner
Er zeigte im Rahmen der Versammlung deutlich sein politisches Format und seine Seriosität. Inhaltlich war sein Auftritt besser als jener seiner Kontrahentin. Tinners Nomination ist im Grundsatz für die Partei kein schlechtes Signal. Sie wäre in Erklärungsnot geraten, hätte sie ihrem eigenen Fraktionspräsidenten diesen Gang in die Wahlen verwehrt. Allerdings stellt dieser auch ein gewisses Risiko dar. Dessen sind sich praktisch alle bewusst. Tinner muss seine Wählbarkeit unter Beweis stellen. Dafür wird er sich mit Gewissheit in den nächsten Monaten kräftig ins Zeug legen.
Fazit zu Christine Bolt
Sie hat mit ihren Ambitionen und mit ihrem Auftritt vor der Delegierten Mut bewiesen und keinen Fehler begangen. Dass sie letztlich mit 77 gegen 124 Stimmen unterlag (nur rund die Hälfte der FDP-Delegierten war vor Ort, zahlreiche aus St.Gallen fehlten) ist ein mehr als akzeptables Resultat und bietet eine gute Basis für die bereits in Aussicht gestellte Kandidatur für den Kantonsrat. Aber auch darüber hinaus dürfte man den Namen Bolt nun immer wieder hören und lesen, wenn es darum geht, Ämter mit FDP-Vertretern zu besetzen. Kaum war Tinner zum Regierungskandidaten gekürt worden, tauchte bei gewissen Anwesenden auch schon die Forderung nach einer Kandidatin Bolt für das Stadtpräsidium von St.Gallen auf…
Fazit zur Partei
Schon die Ausführungen von Reinhard Rüesch, der die Findungskommission geleitet hatte, machten klar: Der Weg bis zur Nomination von Tinner war ein steiniger. Rüesch verteidigte die beiden Kandidaturen und bat die Anwesenden, allfällige Kritik jetzt öffentlich und nicht wie in den vergangenen Wochen nur am Stammtisch zu äussern. Zudem zeigte sich wie erwähnt, dass es hinsichtlich der künftigen Stossrichtung sehr unterschiedliche Meinungen gibt. Von einer gespaltenen Partei kann indes nicht gesprochen werden. Sowohl das Tinner- als auch das Bolt-Lager machten in den vorgängigen Voten deutlich, dass man sich letztlich voll und ganz hinter die Kandidatur stellen werde. Das wird entscheidend sein, wollen die Freisinnigen den zweiten Sitz neben dem erneut antretenden FDP-Regierungsrat Marc Mächler verteidigen.
Mit Schwung in die Regierungswahlen: Kantonalpräsident Raphael Frei, Regierungsrat Marc Mächler und Regierungskandidat Beat Tinner. (Bild: mba)
Marcel Baumgartner (*1979) ist Chefredaktor von «Die Ostschweiz».
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