logo

Fazit zu Tinner, Bolt und der FDP

Eine gespaltene FDP? Und das Killerargument gegen Bolt

Wenn die Nomination von Beat Tinner zum St.Galler Regierungskandidaten auch gesittet verlief: Gewisse Spannungen innerhalb der Partei lagen deutlich in der Luft. Unsere Erkenntnisse aus der FDP-Versammlung.

Marcel Baumgartner am 25. Oktober 2019

Alles was in der St.Galler freisinnigen Politszene Rang und Namen hat, traf am Donnerstagabend, 24. Oktober, im Saal des Oberstufenzentrums Uznach ein. Schliesslich galt es zu entscheiden, wen man für die Nachfolge von Regierungsrat Martin Klöti ins Rennen schickt. Wie wir bereits berichtet haben, setzte sich Fraktionspräsident Beat Tinner mit einem klaren Resultat gegen Christine Bolt vom «Tagblatt» durch. Der Politroutinier verwies die Quereinsteigerin in die Schranken.

Bevor es zur geheimen Wahl kam, gab es in gleichem Masse Voten für Tinner wie auch für Bolt. Die Stimmen aus dem Tinner-Lager hoben dessen langjährige Erfahrung im politischen Bereich wie auch dessen Einsatz für die Partei hervor. Jene aus dem Bolt-Lager sprachen sich für ein frisches und modernes Bild der Partei aus, welches durch die 43-Jährige eher vermittelt werden könne als durch den altgedienten Gemeindepräsidenten von Wartau. Wohlgemerkt: Auch Tinner gehört mit seinen 48 Jahren noch nicht zum alten Eisen.

Amüsant für die Zuhörer – wohl aber weniger für den im Anschluss gekürten Regierungskandidaten – waren Bemerkungen hinsichtlich der optischen Erscheinung und der damit verbundenen Wählbarkeit der beiden Personen. Schon eher den Finger in die Wunde legte aber ein Votum, dass sich quasi für eine Frischzellenkur der FDP stark macht. Hier zeigte sich deutlich: Im Saal gab es zwei Lager, nicht nur im Bezug auf die Kandidaten sondern auch was die Grundausrichtung der Partei anbelangt. Da jene, die für eine sanfte Erneuerung gerade auch bei der Personalpolitik einstehen und die Themen des Wahlsonntags – Urbanität und Frauen – als Pfeiler der künftigen Erfolge sehen, hier jene, die es für unabdingbar betrachten, dass sich eine Politikerin oder ein Politiker die Sporen abverdienen muss, bevor er sich für höhere Ämter empfiehlt.

Der Entscheid fiel letztlich deutlich für das «Bewährte» aus. Bolts Präsentation war solide. Allerdings zeigte sich im Vergleich mit Tinner deutlich, dass sich dieser nicht nur Auftritte in vollbesetzten Sälen gewohnt ist, sondern er auch bei jedem Thema auf bereits gemachte Erfahrungen zurückgreifen kann. Tinner könnte als neuer Regierungsrat ohne Frage vom ersten Tage an Taten folgen lassen, ohne sich zuerst in gewisse Mechanismen einarbeiten zu müssen. Das war spürbar und dürfte letztlich auch den einen oder anderen noch Unentschlossenen auf die Seite des Wartauers gezogen haben.

Ein Killerargument gegen Bolt brachte wohl Rolf Huber, Gemeindepräsident von Oberriet, ein. Dass man die Abtwilerin nicht auf der Liste der Nationalratskandidaten widergefunden habe, sei inakzeptabel. Bolt habe damit gegen die Spielregeln verstossen, wonach eine Regierungskandidatin diesen «Test» zwingend antreten müsse. Was in diesem Zusammenhang am Abend nicht erwähnt wurde: Bolt wurde als Kandidatin für die Regierung erst ernsthaft in Erwägung gezogen, als die Nationalratsliste der FDP bereits fix und abgesegnet war.

Fazit zu Beat Tinner

Er zeigte im Rahmen der Versammlung deutlich sein politisches Format und seine Seriosität. Inhaltlich war sein Auftritt besser als jener seiner Kontrahentin. Tinners Nomination ist im Grundsatz für die Partei kein schlechtes Signal. Sie wäre in Erklärungsnot geraten, hätte sie ihrem eigenen Fraktionspräsidenten diesen Gang in die Wahlen verwehrt. Allerdings stellt dieser auch ein gewisses Risiko dar. Dessen sind sich praktisch alle bewusst. Tinner muss seine Wählbarkeit unter Beweis stellen. Dafür wird er sich mit Gewissheit in den nächsten Monaten kräftig ins Zeug legen.

Fazit zu Christine Bolt

Sie hat mit ihren Ambitionen und mit ihrem Auftritt vor der Delegierten Mut bewiesen und keinen Fehler begangen. Dass sie letztlich mit 77 gegen 124 Stimmen unterlag (nur rund die Hälfte der FDP-Delegierten war vor Ort, zahlreiche aus St.Gallen fehlten) ist ein mehr als akzeptables Resultat und bietet eine gute Basis für die bereits in Aussicht gestellte Kandidatur für den Kantonsrat. Aber auch darüber hinaus dürfte man den Namen Bolt nun immer wieder hören und lesen, wenn es darum geht, Ämter mit FDP-Vertretern zu besetzen. Kaum war Tinner zum Regierungskandidaten gekürt worden, tauchte bei gewissen Anwesenden auch schon die Forderung nach einer Kandidatin Bolt für das Stadtpräsidium von St.Gallen auf…

Fazit zur Partei

Schon die Ausführungen von Reinhard Rüesch, der die Findungskommission geleitet hatte, machten klar: Der Weg bis zur Nomination von Tinner war ein steiniger. Rüesch verteidigte die beiden Kandidaturen und bat die Anwesenden, allfällige Kritik jetzt öffentlich und nicht wie in den vergangenen Wochen nur am Stammtisch zu äussern. Zudem zeigte sich wie erwähnt, dass es hinsichtlich der künftigen Stossrichtung sehr unterschiedliche Meinungen gibt. Von einer gespaltenen Partei kann indes nicht gesprochen werden. Sowohl das Tinner- als auch das Bolt-Lager machten in den vorgängigen Voten deutlich, dass man sich letztlich voll und ganz hinter die Kandidatur stellen werde. Das wird entscheidend sein, wollen die Freisinnigen den zweiten Sitz neben dem erneut antretenden FDP-Regierungsrat Marc Mächler verteidigen.

FDP

Mit Schwung in die Regierungswahlen: Kantonalpräsident Raphael Frei, Regierungsrat Marc Mächler und Regierungskandidat Beat Tinner. (Bild: mba)

Einige Highlights

Uzwilerin mit begrenzter Lebenserwartung

Das Schicksal von Beatrice Weiss: «Ohne Selbstschutz kann die Menschheit richtig grässlich sein»

am 11. Mär 2024
Im Gespräch mit Martina Hingis

«…und das als Frau. Und man verdient auch noch Geld damit»

am 19. Jun 2022
Das grosse Gespräch

Bauernpräsident Ritter: «Es gibt sicher auch schöne Journalisten»

am 15. Jun 2024
Eine Analyse zur aktuellen Lage

Die Schweiz am Abgrund? Wie steigende Fixkosten das Haushaltbudget durcheinanderwirbeln

am 04. Apr 2024
DG: DG: Politik

«Die» Wirtschaft gibt es nicht

am 03. Sep 2024
Gastkommentar

Kein Asyl- und Bleiberecht für Kriminelle: Null-Toleranz-Strategie zur Sicherheit der Schweiz

am 18. Jul 2024
Gastkommentar

Falsche Berechnungen zu den AHV-Finanzen: Soll die Abstimmung zum Frauenrentenalter wiederholt werden?

am 15. Aug 2024
Gastkommentar

Grenze schützen – illegale Migration verhindern

am 17. Jul 2024
Sensibilisierung ja, aber…

Nach Entführungsversuchen in der Ostschweiz: Wie Facebook und Eltern die Polizeiarbeit erschweren können

am 05. Jul 2024
Pitbull vs. Malteser

Nach dem tödlichen Übergriff auf einen Pitbull in St.Gallen: Welche Folgen hat die Selbstjustiz?

am 26. Jun 2024
Politik mit Tarnkappe

Sie wollen die angebliche Unterwanderung der Gesellschaft in der Ostschweiz verhindern

am 24. Jun 2024
Paralympische Spiele in Paris Ende August

Para-Rollstuhlfahrerin Catherine Debrunner sagt: «Für ein reiches Land hinkt die Schweiz in vielen Bereichen noch weit hinterher»

am 24. Jun 2024
Politik extrem

Paradox: Mit Gewaltrhetorik für eine humanere Gesellschaft

am 10. Jun 2024
Das grosse Bundesratsinterview zur Schuldenbremse

«Rechtswidrig und teuer»: Bundesrätin Karin Keller-Sutter warnt Parlament vor Verfassungsbruch

am 27. Mai 2024
Eindrucksvolle Ausbildung

Der Gossauer Nicola Damann würde als Gardist für den Papst sein Leben riskieren: «Unser Heiliger Vater schätzt unsere Arbeit sehr»

am 24. Mai 2024
Zahlen am Beispiel Thurgau

Asylchaos im Durchschnittskanton

am 29. Apr 2024
Interview mit dem St.Galler SP-Regierungsrat

Fredy Fässler: «Ja, ich trage einige Geheimnisse mit mir herum»

am 01. Mai 2024
Nach frühem Rücktritt: Wird man zur «lame duck»?

Exklusivinterview mit Regierungsrat Kölliker: «Der Krebs hat mir aufgezeigt, dass die Situation nicht gesund ist»

am 29. Feb 2024
Die Säntis-Vermarktung

Jakob Gülünay: Weshalb die Ostschweiz mehr zusammenarbeiten sollte und ob dereinst Massen von Chinesen auf dem Säntis sind

am 20. Apr 2024
Neues Buch «Nichts gegen eine Million»

Die Ostschweizerin ist einem perfiden Online-Betrug zum Opfer gefallen – und verlor dabei fast eine Million Franken

am 08. Apr 2024
Gastkommentar

Weltweite Zunahme der Christenverfolgung

am 29. Mär 2024
Aktionswoche bis 17. März

Michel Sutter war abhängig und kriminell: «Ich wollte ein netter Einbrecher sein und klaute nie aus Privathäusern»

am 12. Mär 2024
Teuerung und Armut

Familienvater in Geldnot: «Wir können einige Tage fasten, doch die Angst vor offenen Rechnungen ist am schlimmsten»

am 24. Feb 2024
Naomi Eigenmann

Sexueller Missbrauch: Wie diese Rheintalerin ihr Erlebtes verarbeitet und anderen Opfern helfen will

am 02. Dez 2023
Best of 2023 | Meine Person des Jahres

Die heilige Franziska?

am 26. Dez 2023
Treffen mit Publizist Konrad Hummler

«Das Verschwinden des ‘Nebelspalters’ wäre für einige Journalisten das Schönste, was passieren könnte»

am 14. Sep 2023
Neurofeedback-Therapeutin Anja Hussong

«Eine Hirnhälfte in den Händen zu halten, ist ein sehr besonderes Gefühl»

am 03. Nov 2023
Die 20-jährige Alina Granwehr

Die Spitze im Visier - Wird diese Tennisspielerin dereinst so erfolgreich wie Martina Hingis?

am 05. Okt 2023
Podcast mit Stephanie Stadelmann

«Es ging lange, bis ich das Lachen wieder gefunden habe»

am 22. Dez 2022
Playboy-Model Salomé Lüthy

«Mein Freund steht zu 100% hinter mir»

am 09. Nov 2022
Neue Formen des Zusammenlebens

Architektin Regula Geisser: «Der Mensch wäre eigentlich für Mehrfamilienhäuser geschaffen»

am 01. Jan 2024
Podcast mit Marco Schwinger

Der Kampf zurück ins Leben

am 14. Nov 2022
Hanspeter Krüsi im Podcast

«In meinem Beruf gibt es leider nicht viele freudige Ereignisse»

am 12. Okt 2022
Stölzle /  Brányik
Autor/in
Marcel Baumgartner

Marcel Baumgartner (*1979) ist Chefredaktor von «Die Ostschweiz».

Hier klicken, um die Mobile App von «Die Ostschweiz» zu installieren.