Am 16. März 2020 rief der Bundesrat die «ausserordentliche» Lage aus und ordnete per Notrecht erstmals Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus an. Ein entscheidendes Element war dabei der Schutz des Gesundheitssystems. Die Zahlen sprechen eine andere Sprache.
* Die Autorin (Name und Anschrift der Redaktion bekannt) dieses Gastbeitrags möchte aufgrund des sensiblen Inhalts ihrer Thesen und der zu erwartenden Reaktionen nicht namentlich erwähnt werden, was wir respektieren. Sie ist Pharmazeutin mit über zehn Jahren Erfahrung in der Pharmaindustrie und lebt im Kanton Zürich.
Seit über einem Jahr wird uns in regelmässigen Abständen unter dem Motto «Flatten the curve» erklärt, wieso die einen Einschränkungen «vorläufig» noch in Kraft bleiben, währenddem andere aufgehoben und wenig später dann doch wieder als «Mittel zur Bekämpfung der Pandemie» aus der Schublade gezogen werden. Als wichtiges Argument für dieses wenig nachvollziehbare Vorgehen wurde uns immer wieder vorgehalten, dass wir das Gesundheitssystem vor zu hohen Fallzahlen und infolgedessen vor einer Überlastung bewahren müssen. Dies, obwohl Studien mittlerweile zum Schluss gekommen sind, dass Lockdown-Massnahmen keinen nennenswerten positiven Effekt auf ein Infektionsgeschehen haben, sondern im Gegenteil mit diversen negativen Folgen behaftet sind. (1)
Als Messgrösse für das funktionierende Gesundheitswesen spielt die Auslastung der Spitalbetten und hier insbesondere die Auslastung der Betten auf den Intensivstationen -«IPS – Betten» - eine zentrale Rolle. Ohne auf die Unterschiede der «zertifizierten» (eine im Rahmen der Pandemie neu eingeführte Terminologie) und «normalen» IPS- Betten genauer einzugehen, kann man sagen, dass die Schweiz üblicherweise über rund 1000 IPS- Betten verfügt. Die Jahresauslastung beträgt im Durchschnitt rund 75%. (2)
Die verfügbaren IPS-Betten werden von icumonitoring in der nachfolgenden Grafik als «ICU Beds in Service» (grau gestrichelte Linie), die belegten IPS- Betten als «adult ICU patients» (schwarz ausgezogene Linie) angezeigt. (3) In Abb. 1 ist ersichtlich, dass die IPS- Betten im Frühling 2020 kurzzeitig um rund einen Drittel hochgefahren wurden, um sich für den Rest des Jahres wieder auf Normalniveau einzupendeln. Ebenfalls ist auf der Graphik zu erkennen, dass die IPS- Betten zu keinem Zeitpunkt in den letzten zwölf Monaten eine kritische Auslastung erreicht haben.
Schauen wir uns nun die Auslastung an einigen denkwürdigen Stichtagen genauer an:
Nach einem relativ ruhig verlaufenden Sommer erklärte der Kanton Genf «angesichts der angespannten Situation im Gesundheitswesen» am 2.11.20 den Ausnahmezustand. Ein Blick auf die Genfer Bettenbelegung (Abb. 2 und 3) zeigt, dass zu diesem Zeitpunkt von rund 3000 Spitalbetten knapp 1000 frei und von 73 IPS- Betten lediglich 44 belegt waren:
Am 17.12.2020 traten diverse Ärzte und Spitaldirektoren vor die Medien und baten in einem dramatischen Hilferuf öffentlich den Bund darum, endlich zu handeln, um das überlastete Gesundheitssystem vor einem Kollaps zu bewahren. Einen Tag später ging die Schweiz in den zweiten Lockdown. Auch hier zeigt ein Blick in die Zahlen Erstaunliches: Sowohl die Spitalbetten insgesamt als auch die IPS-Betten waren zu diesem Zeitpunkt lediglich zu rund 75% ausgelastet:
Am 16.4.21 liess der «Tagesanzeiger» verlauten, dass im Kanton Zürich die IPS-Betten wieder «knapp würden». (4) Konsultierte man an diesem Tag die Zahlen von icumonitoring, stellte man fest, dass von den 199 Zürcher IPS- Betten noch 29 frei waren. Ein Vergleich mit der Statistik vom 2.11.20 (Abb. 3) lässt aber schwarz auf weiss erkennen, dass im Kanton Zürich über die letzten Monate trotz «grassierender Pandemie» sage und schreibe 40% der IPS- Betten (129/328) abgebaut worden sind!
Dass das Verschieben von planbaren Eingriffen zu Peakzeiten die Spitäler entlasten kann, ist unbestritten. Interessant wäre ein fundierter Vergleich der in 2020 durchgeführten elektiven Operationen mit anderen Jahren, sobald die entsprechenden Zahlen vom Bundesamt für Statistik aufgeschlüsselt verfügbar sind. Daten zeigen , dass die Schweizer Spitäler 2020 im Vergleich zu anderen Jahren deutlich weniger ausgelastet waren (5). Dies stimmt doch eher nachdenklich und lässt vermuten, dass Wahleingriffe aufgeschoben, die Betten dann aber (wider Erwarten) nicht mit COVID- Patienten gefüllt wurden.
Schaut man sich Abbildung 1 genau an, scheint im Herbst 2020 das Ansteigen der Kurve der «COVID- Patienten» absolut synchron und gekoppelt an das Absinken der Kurve der «Non-COVID-Patienten» zu erfolgen. Die Verläufe der Kurven erscheinen spiegelsymmetrisch, projiziert man eine imaginäre horizontale Achse dazwischen.
Wäre nicht eher zu erwarten, dass die Kurve der Non-COVID-Patienten zu sinken beginnt, wenn Wahleingriffe vorsorglich sistiert werden, gefolgt von einem Steigen der Kurve der COVID-Patienten mit einer kleinen zeitlichen Verzögerung? Ist es möglich, dass hier bei Spitaleintritt routinemässig getestete Patienten mit einem positiven PCR-Testresultat zur Gruppe der COVID- Patienten gezählt wurden? Wer die aktuellen Kriterien für eine «COVID-Meldung» des BAG genau durchliest, lernt, dass sowohl positive Testresultate ohne eine passende klinische Symptomatik, als auch klinische Befunde ohne ein positives PCR-Testergebnis resp. selbst mit einem negativen PCR-Testergebnis (!) gemeldet werden müssen und in die Fallstatistik einfliessen. (6)
Am 20. Januar dieses Jahres änderte die WHO die Leitlinien für die Testung auf SARS-CoV-2: Resultate eines schwach positiven PCR- Ergebnisses bedürfen einer sorgfältigen Interpretion. Wenn ein positives Testresultat nicht mit dem klinischen Bild übereinstimmt, soll das Testresultat nochmals überprüft werden. (7) Wieso wird diese Weisung nicht umgesetzt? Obwohl bekannt ist, dass die aktuell verwendeten PCR- Tests mit hohen Ct-Werten* äusserst fragwürdige Resultate liefern und nicht mit dem Vorhandensein einer Infektion korrelieren, fliessen die auf diese Weise generierten Fallzahlen ungehindert weiter in die Statistik, mit der dann wiederum alle Einschränkungen begründet werden. (8)
Was sind die wahren Hintergründe für diese völlig unwissenschaftlichen Vorgehensweise, die einzig dem Schüren von Angst und Panik zu dienen scheint?
*Ct steht für «Cycle Threshold», zu deutsch Schwellenwert-Zyklus. Er bezeichnet die Zahl der Zyklen, die eine Real Time PCR gelaufen ist, bevor ein positives Signal messbar wird. Dies dauert umso länger, je weniger Virus-Erbgut sich zu Beginn der PCR in der Probe befunden hat. Ein hoher Ct-Wert weist auf eine niedrige Viruslast hin.
Referenzen
1 Bendavid et al., Assessing mandatory stay- at- home and business closure effects on the spread of COVID- 19, Eur. J. Clin. Invest. 2021. DOI: 10.1111/eci.13484
2 https://www.medinside.ch/de/post/statistiken-zu-intensivbetten-sorgen-fuer-verwirrung
3 www.icumonitoring.ch
4 https://www.tagesanzeiger.ch/die-intensivbetten-werden-wieder-knapp-799737282077
5 https://aletheia-scimed.ch/IMG/pdf/eingabebrschweiz_24-12-2020.pdf
6 https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/krankheiten/infektionskrankheiten-bekaempfen/meldesysteme-infektionskrankheiten/meldepflichtige-ik/meldeformulare.html
7 https://www.who.int/news/item/20-01-2021-who-information-notice-for-ivd-users-2020-05
8 https://www.aerzteblatt.de/studieren/forum/138260
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