Am 30. Juni entscheidet sich das Schicksal des Klanghaus Toggenburg - einmal mehr. Die St.Galler Regierung wirbt kaum verhüllt mit einer Art Abstimmungs-Vorschau für die Vorlage und ihre Bedeutung. Die Nervosität dürfte gross sein.
Dass die Region Toggenburg den einen oder anderen erfrischenden Impuls benötigt, ist bekannt. Für die St.Galler Regierung ist das Klanghaus, über das am 30. Juni mit einer Kreditvorlage entschieden wird, eine Stärkung von Kultur und Tourismus. Und knüpfe damit an die Tradition von Gesangs- und Musikkultur, die im Toggenburg stark verwurzelt sei.
So beginnt eine Medienmitteilung der Staatskanzlei, in der rein formal auf die Abstimmung hingewiesen wird, die aber kaum verhüllt eine Aufforderung zu einem Ja Ende Juni ist.
Die Aktivität kommt nicht von ungefähr. Denn das Klanghaus hat eine lange Leidensgeschichte. Der erste Anlauf geht 15 Jahre zurück. Damals sollte das Projekt noch über einen sogenannten «Zukunftsfonds» mit Geld der Nationalbank finanziert werden, was im Kantonsrat Schiffbruch erlitt. 2016 gab es im Parlament eine weitere - wenn auch knappe Niederlage -, über die sich der zuständige Regierungsrat Martin Klöti öffentlich echauffierte.
Nun aber steht der Kantonsrat - jedenfalls seine Mehrheit - dem Ganzen nicht mehr im Weg, und das Volk ist gefragt. Es geht um Gesamtkosten von 23,3 Millionen Franken, die sich der Kanton und die «Klangwelt Toggenburg» teilen. Allerdings nicht hälftig, der Kanton würde alles bis auf eine Million Franken übernehmen.
Eine lohnende Investition, ist sich die St.Galler Regierung sicher. Zumal der Kanton nur als Bauherr auftreten würde, die «Klangwelt Toggenburg» wäre danach für den Betrieb zuständig - auf eigene Kosten.
Entstehen soll eine Holzkonstruktion, deren Besonderheit die Klangräume sind, die sich wie ein Instrument «stimmen» lassen. Dazu kommen zwei Aussenbühnen für Musikexperimente im Freien. Das Klanghaus soll am heutigen Standort des Hotels Seegüetli am Schwendisee oberhalb von Unterwasser entstehen. Im Vergleich zum Hotel wird das Klanghaus weiter entfernt vom See erstellt. «Durch den Abbruch des Hotels und aufgrund der besonderen Architektur wird das Landschaftsschutzgebiet am Schwendisee deutlich aufgewertet», schreibt die Regierung.
60 bis 80 Teilnehmende können das Klanghaus laut der Beschreibung je Kurstag nutzen. Drei Gruppen können gleichzeitig ungestört voneinander arbeiten. Das breite Publikum werde das Klanghaus im Rahmen von Führungen erleben können. Zudem sind Werkstattkonzerte geplant, und es wird möglich sein, die Räume für Bildungs-, Vereins- und Firmenanlässe rund um das Thema Klang zu nutzen.
Klappt alles wie von der Regierung gewünscht und sagt das Stimmvolk am 30. Juni Ja, so wird es aber noch eine Weile dauern, bis die Baumaschinen auffahren. Mit dem Start der Arbeiten wird 2021 gerechnet, fertig wäre das Klanghaus dann 2023.
Die Chancen stehen nicht so schlecht. Denn gegenüber dem letzten Anlauf wurde vor allem bei den Kosten einiges verändert - beziehungsweise verbessert. Das Projekt, mit dem viele eher kulturferne Kreise grundsätzlich wenig anfangen können, ist von den Dimensionen her allgemeinverträglicher geworden.
Die Regierung scheint jedenfalls «wie ein Mann» hinter der Vorlage mit ihrer wechselvollen Geschichte zu stehen. Offizielle Opposition kam im Kantonsrat nur aus den Reihen der SVP. Kantonale Abstimmungen über Projekte, die einer einzelnen Region zugute kommen, sind aber stets ein unsicheres Spiel. Aber weil jede Region weiss, dass sie vielleicht auch einmal etwas vom Rest des Kantons will, geht dieses Spiel oft auf.
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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