Performance-Kunst ist die Leidenschaft von Riccarda Naef. Nicht selten kippt eine Darstellung ins Wahnhafte.
Riccarda Naef, wann wurde Ihr Interesse für die Performance-Kunst geweckt?
Im zweiten Jahr meines Bachelorstudium in Luzern besuchte ich einen Performance-Kurs bei Franz Gratwohl. Zuvor bewegte ich mich hauptsächlich im Feld der Malerei und Zeichnung. Für mich eröffnete sich mit der Performance eine völlig neue Welt. Bei der Malerei fühlte ich mich immer in gewisser Weise eingeschränkt. Mit der Performance kam die starke Physis dazu: Mein Körper ist das Werkzeug, um die Bilder zu erschaffen und ist zugleich Werk. Die Flüchtigkeit dieses Mediums, sowie der Anspruch an Authentizität sind Elemente, die mich immer wieder von Neuem faszinieren.
Wie muss man sich diese Art von Kunst vorstellen?
Ich arbeite in meinen Performances sehr selten mit verbaler Sprache, sondern verwende eine symbolische Bildsprache. Ich versuche auf eine sinnliche Weise mit den Betrachtern zu kommunizieren. Dabei kippen meine Performances des Öfteren in etwas Wahnartiges. Ich performe sehr gerne mit Requisiten und schätze zudem die Zusammenarbeit mit anderen Performern.
Was würden Sie als bisheriges Highlight Ihres Schaffens bezeichnen?
In den letzten zwei Jahren sind unterschiedliche Projekte entstanden, die für mich alle sehr wichtig waren, sodass es schwierig ist, von einem einzigen Highlight zu sprechen. Ich denke jedoch, dass die Teilnahme an der Museumsnacht im September 2017 im Textilmuseum in St.Gallen als solches gesehen werden kann.
Was war besonders daran?
Für mich war die dort gezeigte Performance «Wahndel» mit ihren drei Stunden Dauer die erste Langzeitperformance und zudem die Erste in einem Museum.
Es freut mich zu sehen, dass ich immer häufiger von verschiedensten Institutionen aber auch Privatpersonen und Non-Profit-Events angefragt werde. Dadurch sind nun auch interdisziplinäre Auftritte entstanden, die zum Beispiel auch musikalische Aspekte oder Elemente aus dem Theater beinhalten.
Sie haben von «Wahnhaftem» gesprochen: Kommt es vor, dass Sie belächelt werden? Was löst solch eine Kritik bei Ihnen aus?
Ich versuche Kritik als Ansporn zu sehen, um für weitere Projekte zu lernen. In meiner Ausbildung wird auch explizit gelehrt, konstruktive Kritik zu äussern und dementsprechend auch damit umzugehen.
Gleichzeitig muss man dazu sagen, dass Kunst immer sehr subjektiv empfunden wird und somit Geschmacksache bleibt.
Messen Sie sich insgeheim mit anderen Künstlern?
Ich denke, dass dieses Messen untereinander im Endeffekt der Kunstwelt überhaupt nichts bringt, Networking empfinde ich als viel wichtiger. Gerade in der Schweizer Performance-Szene wird durch die Plattform «PANCH» versucht, ein Netzwerk zu schaffen, bei dem Künstlerinnen und Künstler gemeinsam über Performance-Kunst diskutieren, neue Projekte lanciert werden und Kooperationen entstehen.
Wie viel Persönliches geben Sie mit Ihren Umsetzungen von sich preis?
Durch die Körperlichkeit der Performance und den Anspruch an Authentizität gehört sie vermutlich zu den persönlichsten Kunstformen. Ich agiere mit meinem Körper und erzeuge durch meine Handlungen das ephemere Werk. Und natürlich behandle ich Themen, die mich beschäftigen. Aber jeder Betrachter bringt eine persönliche Geschichte mit, die seine Leseart der Performance beeinflusst.
Wird Ihrer Kunstart in der Ostschweiz genügend Aufmerksamkeit geschenkt?
Performance-Kunst ist im Verhältnis zu anderen Kantonen in St.Gallen noch sehr schwach vertreten.
Ich denke das liegt zum einen daran, dass in St.Gallen keine Fachhochschule für Kunst mit Bachelor und Masterabschluss vorhanden ist. Es gibt schon Orte wie das Museum of Emptiness, welches flüchtige Kunstformen fördert und zeigt. Auch finden als Teil von Ausstellungen immer wieder Performances statt.
Hingegen war ein Performance-Festival, bei welchem der Fokus rein auf diesem Medium liegt, in St.Gallen bislang nicht vertreten. Diesen August findet nun das von Maricruz Peñaloza kuratierte 1. Performance-Openair St.Gallen im Stadtpark statt, bei dem ein Nachmittag lang Performances gezeigt werden und in einem Künstler-Gespräch am darauffolgenden Tag darüber diskutiert werden kann.
Marcel Baumgartner (*1979) ist Chefredaktor von «Die Ostschweiz».
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