Welche Kräfte werden die verschiedenen Parteien der Region schon bald prägen? In einzelnen Interviews stellen wir die Hoffnungsträgerinnen und -träger vor. Heute: Flavia Scheiwiller (*1995), Mitte-Politikerin aus Sirnach.
Zivilstand: ledig
Ausbildung/Beruf: MLaw Juristin/zurzeit: a.o. Gerichtsschreiberin
Partei und Funktion: Präsidentin der Die Junge Mitte TG und Parteileitung der Die Mitte TG
In der Partei seit: 2020
Hobbies: Wandern, Velo fahren, Freunde treffen, kochen
Hätten Sie schon immer eine Nähe zu der Partei, in der Sie heute aktiv sind? Oder standen Sie dereinst auf einer anderen Seite?
Ich bin erst seit Anfang 2020 in einer Partei aktiv. Ich habe mich aber schon lange davor für die Politik und insbesondere für die Abstimmungen und Wahlen interessiert und diese auch stets verfolgt. Das Schöne in der Schweiz ist ja, dass man sich alle drei Monate aufs Neue ganz unverbindlich seine Meinung bilden und mitbestimmen kann, weil in unserem Land die Demokratie gelebt wird. Ich stand nie auf einer anderen Seite, aber ich muss ehrlich sagen, ich habe es genossen, in keiner Partei zu sein, weil ich dachte, nur so könnte ich alle drei Monate völlig frei meine Meinung bilden und entscheiden. Heute weiss ich, dass ich trozt Parteizugehörigkeit meine eigene Meinung vertreten kann.
Gab es einen bestimmten Auslöser, der bei Ihnen das Interesse für die Politik geweckt hat? Was war die Motivation, sich in einer Partei zu engagieren?
Es kam der Zeitpunkt, als es mir nicht mehr reichte, abstimmen und wählen zu können, sondern ich wollte einer Partei beitreten und die Möglichkeit haben, etwas zu verändern bzw. zu bewegen. Mitte 2019 sagte ich zu meiner Mutter, ich würde gerne einer Partei beitreten. Ich konnte mich dann doch nicht ganz entscheiden Mitglied zu werden. Ein paar Monate später hat mich mein ehemaliger Chef gefragt, ob ich Interesse hätte, mit einigen anderen jungen Politikern für den Grossen Rat zu kandidieren. Ich musste nicht lange überlegen und sagte zu. Es hat mir von 0 auf 100 den Ärmel reingezogen. Anfang 2021 wurde ich dann angefragt, ob ich mir vorstellen könnte, Präsidentin der «Die Junge Mitte Thurgau» zu werden. Auch da musste ich nicht lange überlegen. Wenn ich etwas anpacke, dann möchte ich es gut machen. Ich bin nach wie vor motiviert - zusammen mit meiner Partei - etwas zu bewegen.
Wenn Sie Ihre Partei mit einer Schulnote bewerten müssten, wie würde die Benotung ausfallen?
5,5 – nichts und niemand ist perfekt
Was benötigt es, damit diese Bewertung dereinst noch besser ausfällt?
Ich finde es schade, dass die Werte der Mitte in der Vergangenheit zu wenig kommuniziert wurden. Oftmals haben die Menschen nämlich noch das Gefühl, die Mitte sei eine «Kirchen-Partei». Mit dem Namenswechsel und dem neuen Auftritt ist die Mitte aber auf bestem Weg dazu, die Note «6» zu erhalten. Es ist wichtig, Ziele zu haben und diese zu verfolgen.
Was sind Ihre persönlich wichtigsten Kernanliegen? Wofür möchten Sie sich einsetzen? Welche drei Punkte stehen aktuell ganz oben auf Ihrer politischen Pendenzenliste?
Gleichstellung von Frau und Mann – in jeglicher Hinsicht
Sicherung unsere Altersvorsorge – unser 3 Säulenmodell ist einzigartig und dennoch muss es reformiert werden
Toleranz in unserer Gesellschaft steigern, Ausgrenzungen jeglicher Art sollen kein Thema mehr sein
Welche politischen Ambitionen haben Sie? In welcher Funktion würden Sie dereinst gerne aktiv sein?
Es kommt mir weniger auf die Funktion an, vielmehr möchte ich wirklich etwas bewirken können und gehört werden. Ich möchte Einfluss haben, sei dies als Kantonsrätin, als Richterin oder vielleicht als Gemeinderätin.
Kommt es vor – ob im politischen Umfeld oder auch privat –, dass Sie eine extreme Position einnehmen, weil Sie Freude an der Debatte haben?
Es ist tatsächlich so, ich argumentiere und diskutiere gern. Sonst wäre ich sowohl in der Politik als auch in meinem beruflichen Alltag als Juristin gänzlich verloren. Ich nehme aber nicht extra eine extreme Position ein, nur um eine Debatte anzuheizen. Ich mache die Erfahrung, dass es auch bereichernde und spannende Gespräche gibt, wenn man dieselbe Meinung über ein Thema hat.
Wie fühlen Sie sich, wenn Sie merken, dass Sie falsch liegen?
Ich frage mich, ob man in der Politik überhaupt falsch liegen kann. Vielleicht erscheint meine Meinung einem anderen Politiker gegenüber als falsch, weil ich eine gänzlich andere Einstellung zu einem Thema vertrete. Das bedeutet aber nicht, dass ich falsch liege, sondern dass ich eine andere Meinung habe. Ich kann aber auch andere Meinungen akzeptieren, ich sage nicht, dass es mir leicht fällt, aber ich kann. Ich glaube das braucht es in der Politik auch, sonst wird man verbittert. Vielleicht ist das sogar das Spannende in der Politik, dass es nicht immer ein Richtig und ein Falsch gibt.
Aber klar, eigene Fehler eingestehen, fällt auch mir schwer – sei es im privaten oder politischen Umfeld.
Möchten Sie eine neue Bekanntschaft in erster Linie von Ihren Qualitäten oder von Ihrer politischen Stossrichtung überzeugen?
Meine Qualitäten und meine politischen Stossrichtungen fliessen grösstenteils einher. Mein beruflicher Alltag, meine Hobbies und meine Interessen beeinflussen meine Persönlichkeit und somit auch meine politischen Stossrichtungen. Ich bin im Privaten nicht ein anderer Mensch als in der Politik. Von dem her muss ich mich bei einer neuen Bekanntschaft nicht entscheiden. Zudem kommt es immer darauf an, bei welcher Gelegenheit ich jemand kennenlerne. Wenn sich jemand ganz und gar nicht für Politik interessiert, ist es schwierig diese Person von meinen politischen Stossrichtungen zu überzeugen. Ich lerne gerne neue Menschen kennen und da überlege ich primär nicht, wie ich trumpfen soll, da möchte ich mich vielmehr amüsieren.
Gibt es in der jüngsten Vergangenheit der Schweiz einen politischen Meilenstein, der Ihnen so gar nicht in den Kram passt?
Dass die Änderung des CO2-Gesetzes nicht angenommen wurde, finde ich nach wie vor sehr bedenklich.
Welche drei Punkte stehen auktuell auf der privaten Pendenzenliste?
Die Anwaltsprüfung bestehen
Häufiger Gitarre spielen
Das Leben geniessen und viel lachen
Marcel Baumgartner (*1979) ist Chefredaktor von «Die Ostschweiz».
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