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Zeyer zur (Ferien-)Zeit

Alptraum Sommerferien, Teil 6

Anreise mit Hindernissen, das All Inclusive auf der Dominikanischen lässt viele Wünsche offen. Und das Essen ist nicht wie zu Hause in Bischofzell. Aber der Tag der Abreise naht für Familie Streuli.

«Die Ostschweiz» Archiv am 14. Juli 2022

«Man muss auch das Positive sehen», sagt Peter Streuli, als der Tag der Abreise naht. «Wir haben nur Handgepäck, weil die Koffer nie ankamen, das macht alles leichter.» Weder seine Frau Marlies noch die Kids können das auch so positiv sehen, aber auch sie sind einverstanden: endlich sind die zehn Tage, die dann nur neun Tage waren, überstanden. Mieses Essen, schwerer Sonnenbrand, Animation mit der Brechstange, Abzocke am Strand, Zimmer anders als bestellt, es war kein leichter Weg, den Streulis gehen mussten. Und wirklich erholsam war es auch nicht.

Wie üblich beim Heimflug aus der Karibik startet der Flieger am Abend. Da sich Peter Streuli strategisch geschickt möglichst nahe am Ausgang des Busses platziert hat, gewinnt er das Rennen an die Check-in-Schalter. Während seine Familie nachkommt, reicht er die vier Pässe hinüber. Der Mann am Schalter ist sich offenbar gewohnt, dass Passagiere ohne Gepäck einchecken, denn er hebt nur kurz die Augenbrauen, als Streuli den Kopf schüttelt, als er gefragt wird: «No bagage?»

Bei der Passkontrolle gibt es noch ein kurzes Zwischenspiel, als der Beamte fragt, wo denn die Einreisestempel in den Pässen seien. Mit Händen und Füssen versucht Streuli, der plötzlich ein Hindernis auftauchen sieht, zu erklären, dass sie mitten in der Nacht ankamen und einfach durchgewinkt wurden. Der Beamte hört sich das alles mit unbewegter Miene an und schüttelt den Kopf: «no entrance stamp, no exit», verkündet er dann.

Streuli wird hektisch und läuft rot an. Seine Frau Marlies hingegen bricht in Tränen aus. «Nicht auch das noch», schluchzt sie. Damit erweicht sie aber das lateinische Herz des Beamten, «no llores» tröstet der, «está bien, vamos a resolverlo, pasen». Streulis verstehen kein Wort, aber seine Handbewegung, die sie durchwinkt, das kapieren sie. «Muchas gracias», kramt Streuli seine Spanischkenntnisse hervor, «muchas gracias.»

Mit den übrigen mehr als 300 Passagieren sitzen sie dann in der Wartehalle, nachdem der Sicherheitscheck problemlos absolviert wurde, offenbar waren alle Geräte kaputt. Das konnte wohl am Stromausfall liegen, der kurz nach ihrem Eintreffen Licht und Klimaanlage lahmlegte.

«Salida KLM hacia Amsterdam», brüllt dann vorne an der Türe ein Angestellter, und die Kavalkade der Passagiere überrennt ihn fast. Zum grossen Erstaunen der Familie Streuli hebt das Flugzeug beinahe pünktlich ab. Als in Amsterdam auch der Weiterflug nach Zürich bereitsteht, sind sich Streulis sicher, dass sie nun endlich bald wieder Heimatboden betreten würden.

«Das nächste Mal ist’s wieder Tessin», kündigt Streuli finster an. «Oder Paris», sagt seine Gattin, «da kann man auch mit dem Zug hinfahren.» - «Oder London», sagen die Kirds, aber damit ernten sie abwehrende Blicke der Eltern.

«Immerhin, wir haben’s überlebt», fasst Streuli die Erfahrungen zusammen, als sie im Flieger nach Zürich sitzen. Er schaut auf seine Uhr und sagt: «Diesmal dauert es sicher nur eine Stunde vierzig, dann erwischen wir problemlos den Zug nach Bischofszell, und dann endlich wieder im eigenen Bett schlafen.» – «Und morgen ein Birchermüesli zum Frühstück», schwärmt Marlies. «Endlich wieder WLAN», sagen die Kids.

Als der Flieger pünktlich abhebt, greift Streuli nach der Hand seiner Marlies: «Jetzt kann wirklich nichts mehr passieren.» Diese Überzeugung begleitet ihn die nächsten hundert Minuten. «Schaut», rufen dann die Kids ganz aufgeregt, «unten sieht man schon die Lichter vom Flughafen Zürich, jetzt landen wir gleich.»

Tatsächlich sinkt der Flieger; dass er dabei deutlich schwankt und dicke Regentropfen gegen die Scheiben schlagen, beunruhigt Streulis nicht weiter. «Gleich setzt er auf», sagt Papa Streuli mit Kennermiene. Genau in diesem Moment heulen die Triebwerke wieder auf, und die Beschleunigung presst sie in ihre Sitze.

«Was ist denn das?», fragt Marlies beunruhigt. Peter Streuli will sein Expertentum weiter unter Beweis stellen: «Ach, das kann vorkommen; wenn es ein wenig windet, muss der Pilot durchstarten. Dann fliegt er eine Kurve und macht’s das nächste Mal besser.»

Aber der Flieger macht überhaupt keine Kurve, sondern steigt und steigt und steigt. Streuli ist sich nicht mehr so sicher, ob sein Expertenwissen dafür eine Erklärung parat hätte. Das nimmt ihm dann der Kapitän ab: «Your Captain speaking», klingt es aus den Lautsprechern. «Due to heavy weather conditions, the airport of Zurich is now closed. The storm is all over here, that’s why we can’t land nearby. So we have to return to Amsterdam. Sorry for the inconvenience, but safety first.»

«Was hat er gesagt», fragt Marlies schreckensbleich. Peter Streuli versinkt in tiefe Melancholie und tiefes Schweigen, das er bis zur Landung in Amsterdam durchhält. Zwei Tage später treffen Streulis dann mit dem Zug in der Schweiz ein. Als Peter Streuli den Schlüssel ins Wohnungsschloss in Bischofszell steckt, sagt er: «Nie wieder. Nie wieder, einfach nie wieder.» Seine Familie stimmt ihm aus vollem Herzen zu.

Das war der letzte Teil der Feriensaga von René Zeyer. Hier geht’s zu Teil eins, zwei, drei, vier und fünf.

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