Hürdenläufer entdecken die Stadt St.Gallen als Trainingsfeld. Wo sonst kann man auf Schritt und Tritt über Hindernisse hüpfen? Aber offenbar sind die E-Scooter noch nicht genug, jetzt brauchen wir auch noch E-Bikes, die im öffentlichen Raum rumstehen. Dichtestress mal anders.
Als die Stadt St.Gallen den Versuch mit den elektrifizierten E-Scooters - also Trottinetts mit einer Batterie - ankündigte, hatten wir eine böse Vorahnung, dokumentiert durch einen Besuch in München. Inzwischen ist aus dem Versuch fixe Realität geworden. Mit den von uns angekündigten Begleiterscheinungen. Man sieht nicht besonders viele Leute auf den Trottis durch St.Gallen fahren. Aber offenbar sind sie in Benützung. Das sieht man daran, dass die Dinger überall quer im Weg stehen.
Einige besonders gehfaule Exemplare brauchen sie offenbar, um zur Parkgarage zu gelangen, anders ist es kaum zu erklären, dass man beispielsweise im Cityparking Brühltor fast täglich Slalom gehen muss, um den Gefährten auszuweichen. Das ist zum einen lästig, zum anderen untermauert es die oft gehörte These, dass die E-Scooter keineswegs das Auto ablösen. Oder bringt es der Umwelt etwas, wenn jemand von Teufen oder Mörschwil aus mit dem Auto nach St.Gallen fährt, in der Parkgarage parkiert und dann in der Innenstadt statt zu Fuss zu gehen einen Scooter benutzt?
Nun soll das Ganze noch ausgebaut werden. Der nächste Wunsch des Stadtrats sind E-Bikes für den Allgemeingebrauch. Die sollen, heisst es in der Ausschreibung, an bestimmten Stellen wieder abgestellt werden. Was voraussetzt, dass die Nutzer mitspielen. Auch die Scooter, zur Erinnerung, sollten ja eigentlich so deponiert werden, dass sie niemanden behindern. Wer in der Stadt unterwegs ist, erlebt anderes.
Dass viele Bürger etwas zu meckern haben, zeigt sich auf der Webseite der Stadt. Die hat eigentlich mit dem virtuellen «Stadtmelder» ein Instrument, mit dem man sich bei Problemen niederschwellig melden kann. Aber offenbar gab es schlicht zu viele Meldungen rund um die Scooter. Denn es heisst dort: «Meldungen zu E-Trottinette bitte an den Kundendienst von TIER: stgallen@tier.app, +41 43 505 14 62.» Sprich: Es braucht eine eigene Kummernummer zu diesem Thema.
Facebook ist voll mit Schnappschüssen von Leuten, die nur knapp nicht über eines der Leihfahrzeuge gestolpert sind. Die Stadt hat das Problem offenbar nicht im Griff. Aber bevor sie es entschlossen angeht, schreibt sie lieber einen neuen Auftrag aus: E-Bikes!
Wenn jemand ohne Hindernisse durch die Stadt kommen will, gibt es im Moment leider nur eine Empfehlung: Per Auto auf der Strasse. Dort stehen die Dinger wenigstens nicht rum. Aber vermutlich war das nicht im Sinne der Erfinder.
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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