logo

Medienförderung

Das kontraproduktive Millionen-Geschenk für grosse Verlage

Der Bund will die grossen Verlage, welche Online-Portale, Radio- und TV-Stationen besitzen, mit rund 120 Mio. Franken jährlich unterstützen. Kleine Online-Medien sollen leer ausgehen. Aber auch kleine Zeitungsverlage werden von der Politik vernachlässigt. Ein Gastkommentar von Martina Gloor.

Gastbeitrag «Die Ostschweiz» am 11. Februar 2021

Dieser Kommentar ist zuerst auf soaktuell.ch erschienen, der Onlinezeitung für die Region Aargau-Solothurn.

Der damit eingeschlagene Weg geht völlig an der Medienrealität in der Schweiz vorbei und wird langfristig keine Papierzeitung retten können. Das einzig richtige wäre ein Übungsabbruch.

Die angepeilte Medienförderung wird sich langfristig als einer der grössten politischen Flops der letzten Jahrzehnte entpuppen. Keine einzige Papierzeitung in der Schweiz wird auch mit noch so vielen Steuerfranken zu retten sein. Das ist so sicher, wie das Amen in der Kirche. Die Gründe sind einfach: Zeitungen in Papierform braucht's nicht mehr. Die Leserinnen und Leser von Papierzeitungen sterben aus. Zeitungen sind zu teuer, verbrauchen Unmengen an Papier, landen spätestens am Abend schon im Abfall und gelten als umweltschädliches Produkt ewig gestriger. Weil das auch Werbetreibende wissen, werden immer weniger Zeitungsinserate geschaltet. Die staatliche finanzielle Förderung von Papierzeitungen ist blanker Unsinn.

Sicher wird es noch Jahrzehnte lang ein paar wenige Papierzeitungen in der Schweiz geben, aber deren Leserschaft soll den ökologischen Blödsinn, inklusive der Zustellung, doch bitte zum vollen Selbstkostenpreis bezahlen.

Die Karten werden neu gemischt

Bei allen anderen Medien, also Lokalradios und Regionalfernsehsender sowie Online-Portale, werden die Karten neu gemischt. Es macht auch keinen Sinn, hier viel Steuergeld zu investieren. Denn es wird künftig zwei Geschäftsmodelle geben, die ihre Berechtigung haben. Die einen Online-Medien verlangen von ihren Usern eine Registrierung und kapseln sich in einer geschlossenen Benutzergruppe ab von der Öffentlichkeit. Die meisten anderen Online-Medien, aber auch Lokalradios und Regionalfernsehsender, bleiben kostenlos zugänglich. Sie finanzieren sich über Werbung, Spenden oder Mitgliederbeiträge. Auch hier braucht es keine staatliche Medienförderung. Denn, wer sich letztlich im einen wie im anderen Modell nicht selber finanzieren kann, hat zu teuer produziert, uninteressanten Inhalt angeboten oder schlicht die Kosten nicht im Griff.

Die aufstrebenden Neuen sollen keine Medienförderung erhalten

Es gibt unter den jüngeren Online-Medien auf dem Schweizer Markt ein paar sehr gute Beispiele, die vieles richtig machen … sonst wären sie längst weg vom Fenster, wie so viele andere vor ihnen. Ein Beispiel ist sicher die News-Plattform für Luzern und Zug, zentralplus.ch. Seit 2013 auf dem Markt und immer noch da. Oder soaktuell.ch, seit 2010 auf dem Markt, tausendmal totgesagt – und trotzdem täglich mit Gratis-News für die Region Aargau-Solothurn bei den Leserinnen und Lesern – 365 Tage im Jahr. Ganz gut macht es auch nau.ch, seit 2017 auf dem Markt und heute eines der wichtigsten Online-Medien der Deutschschweiz. Es gäbe noch viele gute Beispiele.

Alle drei genannten haben etwas gemeinsam: Sie bekämen keinen Rappen von den 120 Mio. Franken Medienförderung, die das Parlament zur Unterstützung der demokratierelevanten Medien ausheckt. Dies, weil der Verlegerverband mit seinem politischen Einfluss dafür gesorgt hat, dass die Kriterien für den Erhalt von Medienförderung so ausgelegt sind, damit letztlich möglichst alles bei den Grossen bleibt. Selbst kleine Regionalzeitungen gucken ziemlich verdutzt nach Bundesbern und reiben sich die Augen. «Demokratierelevanter Qualitätsjournalismus» ist also nur, was von grossen Verlagen produziert wird. Das ist so dumm, wie wenn die vier grossen Parteien im Land behaupten würden, nur ihre Politik sei demokratierelevant. Das Gegenteil ist der Fall: Unsere Demokratie und unser Föderalismus waren von jeher Produkte der Kleinheit. Im Kleinen ist entstanden, was sich durchgesetzt hat.

Staatliche Medienförderung wird grossen Verlagen schaden

Die guten und funktionierenden Online-Medien beweisen eines: Es geht auch ohne Millionen vom Steuerzahler. Was aber auf keinen Fall passieren darf, ist, dass einige grosse Verlage mit Millionen Franken künstlich am Leben gehalten werden. Das wäre eine politische Ungerechtigkeit und Marktverzerrung sondergleichen.

Die Grossen sind heute zu gross, zu träge und zu teuer. Sie haben in dieser Form keinen Platz mehr in der künftigen Medienlandschaft Schweiz. Wenn sie nicht staatlich gefördert würden, müssten sie sich gesund schrumpfen, fusionieren, innovativ bleiben und hohe Qualität bieten. Ansonsten verschwinden sie von der Bildfläche. Dies aber gäbe den erfolgreichen kleinen Online-Medien die Möglichkeit, das gleiche zu tun, nämlich in Innovation, Qualität und Wachstum zu investieren und die Kosten im Griff halten.

Es wird das Gegenteil von dem passieren, was die Medienförderer sich erhoffen

Mit den Steuer-Millionen an die grossen Verlage wird genau das Gegenteil von dem passieren, was sich Bundesbern erhofft. Anstatt sich zu bewegen und dem Markt anzupassen, werden die grossen Verlage unrentable Produkte, die immer weniger Leserinnen und Leser wirklich brauchen, am Leben erhalten. Weil sie dafür ja Geld bekommen.

Das süsse Gift der Medienförderung. Damit schaufeln sie sich ihr eigenes Grab. Unser Rat: Übung abbrechen - solange es noch möglich ist - und auf jegliche staatliche Medienförderung verzichten. Denn der Lesermarkt wird sich nicht so entwickeln, wie sich das viele Politiker erhoffen.

Einige Highlights

Uzwilerin mit begrenzter Lebenserwartung

Das Schicksal von Beatrice Weiss: «Ohne Selbstschutz kann die Menschheit richtig grässlich sein»

am 11. Mär 2024
Im Gespräch mit Martina Hingis

«…und das als Frau. Und man verdient auch noch Geld damit»

am 19. Jun 2022
Das grosse Gespräch

Bauernpräsident Ritter: «Es gibt sicher auch schöne Journalisten»

am 15. Jun 2024
Eine Analyse zur aktuellen Lage

Die Schweiz am Abgrund? Wie steigende Fixkosten das Haushaltbudget durcheinanderwirbeln

am 04. Apr 2024
DG: DG: Politik

«Die» Wirtschaft gibt es nicht

am 03. Sep 2024
Gastkommentar

Kein Asyl- und Bleiberecht für Kriminelle: Null-Toleranz-Strategie zur Sicherheit der Schweiz

am 18. Jul 2024
Gastkommentar

Falsche Berechnungen zu den AHV-Finanzen: Soll die Abstimmung zum Frauenrentenalter wiederholt werden?

am 15. Aug 2024
Gastkommentar

Grenze schützen – illegale Migration verhindern

am 17. Jul 2024
Sensibilisierung ja, aber…

Nach Entführungsversuchen in der Ostschweiz: Wie Facebook und Eltern die Polizeiarbeit erschweren können

am 05. Jul 2024
Pitbull vs. Malteser

Nach dem tödlichen Übergriff auf einen Pitbull in St.Gallen: Welche Folgen hat die Selbstjustiz?

am 26. Jun 2024
Politik mit Tarnkappe

Sie wollen die angebliche Unterwanderung der Gesellschaft in der Ostschweiz verhindern

am 24. Jun 2024
Paralympische Spiele in Paris Ende August

Para-Rollstuhlfahrerin Catherine Debrunner sagt: «Für ein reiches Land hinkt die Schweiz in vielen Bereichen noch weit hinterher»

am 24. Jun 2024
Politik extrem

Paradox: Mit Gewaltrhetorik für eine humanere Gesellschaft

am 10. Jun 2024
Das grosse Bundesratsinterview zur Schuldenbremse

«Rechtswidrig und teuer»: Bundesrätin Karin Keller-Sutter warnt Parlament vor Verfassungsbruch

am 27. Mai 2024
Eindrucksvolle Ausbildung

Der Gossauer Nicola Damann würde als Gardist für den Papst sein Leben riskieren: «Unser Heiliger Vater schätzt unsere Arbeit sehr»

am 24. Mai 2024
Zahlen am Beispiel Thurgau

Asylchaos im Durchschnittskanton

am 29. Apr 2024
Interview mit dem St.Galler SP-Regierungsrat

Fredy Fässler: «Ja, ich trage einige Geheimnisse mit mir herum»

am 01. Mai 2024
Nach frühem Rücktritt: Wird man zur «lame duck»?

Exklusivinterview mit Regierungsrat Kölliker: «Der Krebs hat mir aufgezeigt, dass die Situation nicht gesund ist»

am 29. Feb 2024
Die Säntis-Vermarktung

Jakob Gülünay: Weshalb die Ostschweiz mehr zusammenarbeiten sollte und ob dereinst Massen von Chinesen auf dem Säntis sind

am 20. Apr 2024
Neues Buch «Nichts gegen eine Million»

Die Ostschweizerin ist einem perfiden Online-Betrug zum Opfer gefallen – und verlor dabei fast eine Million Franken

am 08. Apr 2024
Gastkommentar

Weltweite Zunahme der Christenverfolgung

am 29. Mär 2024
Aktionswoche bis 17. März

Michel Sutter war abhängig und kriminell: «Ich wollte ein netter Einbrecher sein und klaute nie aus Privathäusern»

am 12. Mär 2024
Teuerung und Armut

Familienvater in Geldnot: «Wir können einige Tage fasten, doch die Angst vor offenen Rechnungen ist am schlimmsten»

am 24. Feb 2024
Naomi Eigenmann

Sexueller Missbrauch: Wie diese Rheintalerin ihr Erlebtes verarbeitet und anderen Opfern helfen will

am 02. Dez 2023
Best of 2023 | Meine Person des Jahres

Die heilige Franziska?

am 26. Dez 2023
Treffen mit Publizist Konrad Hummler

«Das Verschwinden des ‘Nebelspalters’ wäre für einige Journalisten das Schönste, was passieren könnte»

am 14. Sep 2023
Neurofeedback-Therapeutin Anja Hussong

«Eine Hirnhälfte in den Händen zu halten, ist ein sehr besonderes Gefühl»

am 03. Nov 2023
Die 20-jährige Alina Granwehr

Die Spitze im Visier - Wird diese Tennisspielerin dereinst so erfolgreich wie Martina Hingis?

am 05. Okt 2023
Podcast mit Stephanie Stadelmann

«Es ging lange, bis ich das Lachen wieder gefunden habe»

am 22. Dez 2022
Playboy-Model Salomé Lüthy

«Mein Freund steht zu 100% hinter mir»

am 09. Nov 2022
Neue Formen des Zusammenlebens

Architektin Regula Geisser: «Der Mensch wäre eigentlich für Mehrfamilienhäuser geschaffen»

am 01. Jan 2024
Podcast mit Marco Schwinger

Der Kampf zurück ins Leben

am 14. Nov 2022
Hanspeter Krüsi im Podcast

«In meinem Beruf gibt es leider nicht viele freudige Ereignisse»

am 12. Okt 2022
Stölzle /  Brányik
Autor/in
Gastbeitrag «Die Ostschweiz»

Bei uns publizieren Autorinnen und Autoren mit Expertise und Erfahrung zu bestimmten Themen Gastbeiträge. Diese müssen nicht zwingend mit der Meinung oder Haltung der Redaktion übereinstimmen.

Hier klicken, um die Mobile App von «Die Ostschweiz» zu installieren.