In Ausgabe 5 seiner «Corona-Splitter» geht der Herisauer Arzt Rainer Fischbacher auf die Frage ein, ob er eigentlich berufen ist dazu, das zu schreiben, was er schreibt.
Werte Leser, Sie haben mir nun schon einiges lesen können, das Sie vielleicht seltsam berührt. Vielleicht fragen Sie sich: ist der Fischbacher etwas einseitig oder sogar ein extremer? Darf der das?
Und darum stell ich mich kurz vor.
Ich arbeite als Allgemeininternist von morgens 8 Uhr bis abends 18 Uhr mit kurzer Mittagspause immer mit Maske und Hygienemassnahmen. Dies schützt mich und meine Patienten vor Ansteckung. Ich bin selber schon geimpft, obwohl ich gemäss Richtlinien in Appenzell Ausserrhoden noch nicht an der Reihe gewesen wäre: Ich sehe auch schwerkranke Patienten fast ohne jede Immunabwehr, und ich möchte einfach alles tun, um diese nicht anzustecken.
Wegen Patientenstopp nehm ich keine neuen Patienten. Das hier ist also keine Werbeveranstaltung, sondern es geht mir darum, Ihnen eine Möglichkeit zu geben, kritische, aber qualifizierte Gedanken kennen zu lernen von einem echten Coronafachmann.
Was unterscheidet den Fachmann vom Spezialisten? Der Fachmann arbeitet praktisch mit Coronakranken, aber auch mit Menschen, die wegen Coronamassnahmen leiden und mit alltäglichen körperlich und psychisch Kranken. Erfahrung, Weiterbildung und interdisziplinäres Denken und Arbeiten auf verschiedensten Gebieten sind sein Alltag. Ein Spezialist hingegen weiss auf seinem Gebiet fast alles, aber einen Millimeter daneben weiss er nichts mehr.
Ein Fachmann kann also ganz leicht überall mehr wissen als ein Spezialist, ausser auf dessen Spezialgebiet.
Corona wird das Leben vieler Menschen, wahrscheinlich sogar aller Menschen, für immer verändern. Aber Corona kann nicht für alle Menschen dasselbe bedeuten. Es gibt Menschen, die die schwerste Krankheit ihres Lebens durchgemacht haben, ihr Leben verloren oder ein geliebtes Angehöriges verloren haben. Es gibt Menschen die durch Staatseingriffe ihre Existenz verlieren oder die letzten Monate ihres Lebens in Einsamkeit verbringen müssen. Und eine ganze junge Generation lernt, dass die Zeit auch mit Herumhocken totgeschlagen werden kann.
Es gibt Eltern, die eines ihrer Kinder im Verkehr an einem tragischen Unfall verloren haben, so dass die Bewegungsfreiheit der Gesellschaft einen schrecklichen Preis von ihnen verlangt hat. Sie selber müssen nun aber zusehen , wieviele essentielle Freiheiten einfach abgeschafft werden können, wenn – statt gesunder Verkehrsopfer voller Zukunft – alte und sterbenskranke Virusopfer zu beklagen sind. Manche von ihnen mögen deshalb die Welt nicht mehr verstehen. Und auch sie dürfen gehört werden, in einer Demokratie haben wir das Recht, verschieden Geschichten zuzulassen, es gibt nicht nur eine Staatsdoktrin.
Jeder von uns erlebt sein Körnchen Wahrheit, und von mir hören Sie diese in Form des Corona-Splitters. Aber denken Sie dran: niemand besitzt die ganze Wahrheit , weder Fachmann noch Spezialist.
Ich wünsche mir, dass viele von Ihnen in den kurzen Beiträgen ein Körnchen Wahrheit erkennen können. Niemals die ganze Wahrheit; eben ein Corona-Splitter!
Rainer Fischbacher ist Arzt in Herisau und ehemaliger Ausserrhoder Kantonsarzt.
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