Das Corona-Virus durchkreuzt auch die Pläne des Appenzeller Moderators Marco Fritsche. Sein Alltag wurde auf den Kopf gestellt und er muss umdenken. Tägliche Instagram-Posts wird es von ihm trotzdem nicht geben. In Sachen «social media» ist er eher Konsument als Produzent.
Inwiefern sind Sie vom Corona-Virus betroffen, wie viele Anlässe mussten Sie absagen/verschieben?
Die Events (Prix SVC, Best of Swiss Web Award, Biomasse Schweiz Tagung, etc.), die ich im März, April und bis in den Juni moderiert hätte, sind für 2020 abgesagt oder in den Herbst verschoben worden. Was aber neben diesen lukrativen Aufträgen am Schwersten wiegt, ist dass wir (noch) nicht wissen, wie und ob wir den geplanten Drehbeginn für «Bauer, ledig, sucht…» Ende April aufrechterhalten können. Mein Arbeitsalltag, der schon immer eher unkonventionell war, nach dem Motto «Heue, wenn Heuwetter isch», wurde von einem Tag auf den andern auf den Kopf gestellt. Oder «stillgelegt», müsste man wohl eher sagen.
Ist diese Situation für Sie existenzbedrohend und erwägen Sie staatliche Hilfe in Anspruch zu nehmen (Kurzarbeit)?
Bis dato sehe ich davon ab, da meine GmbH, die mir meinen Lohn zahlt, dank finanzieller Reserven bis auf weiteres liquide ist. Würde jetzt aber beispielsweise die Produktion von «Bauer, ledig, sucht…» wegfallen, hätte ich spätestens ab Herbst 2020 ein Problem. Bis jetzt habe ich mich aber nicht einmal richtig vertraut gemacht mit den Möglichkeiten für Selbstständige, da es jetzt vor allem darum geht, Betroffene zu unterstützen oder vor dem Ruin zu retten, welchen es bedeutend schlechter geht als mir. «Solidarität» - ein Schlagwort dieser Tage - heisst auch, sich möglichst selbstverantwortlich zu verhalten und das System -wirtschaftlich und medizinisch! - zu schonen, um es nicht zum Kollabieren zu bringen.
Verfügen Sie nun über mehr Freizeit und wie gestalten Sie diese?
Mein Jahresrhythmus als Moderator gleicht ironischerweise in etwa dem eines Bauern. Von Frühling bis Spätherbst ist Hochsaison und ich habe viel zu tun. In den Wintermonaten kann ich ein paar Gänge zurückschalten. Zudem verkrieche ich mich auch sonst nach Moderationseinsätzen gerne für ein, zwei Tage zu Hause. Da Auftritte und Anlässe so etwas wie «Leben als Hochkonzentrat» sind, muss ich mich immer wieder etwas «normalisieren» und das Ganze verdauen. Momentan, in der freiwilligen Selbstquarantäne - ich muss es gestehen - vergeht mir langsam der Spass an diesem Einsiedlertum. Ich habe schon immer Sachen gemocht, die ich selbst wählen konnte und weniger, wenn sie mir aufgezwungen wurden. In dieser Hinsicht bin ich wohl ein reinrassiger Appenzeller. (lacht)
Wie mussten Sie ihren Tagesablauf umgestalten? Auftritte im Netz, soziale Medien?
Die sozialen Medien nutze ich momentan vor allem, um mit Freunden und Bekannten in Kontakt zu bleiben. Da spricht man sich auch gegenseitig mal Mut und Zuversicht zu. Mein letztes «aktives» Posting - ich habe es gerade kontrolliert - war am 25. Februar. Sinnigerweise ein Sonnenaufgang zwischen Hirschberg und Eggli, den ich beim Morgenkaffee an meinem Dachfenster «erwischt» habe. Ich bin also endgültig zum Konsumenten anstatt Produzenten geworden in Sachen «social media». Aber als «Ü40» bin ich da wohl etwas ungelenker als die «digital natives». Zudem wüsste ich nicht, was ich der Welt jetzt Wegweisendes mitteilen könnte. Und ehrlich gesagt, wäre es bei ein paar Anderen auch eine gute Idee, das so zu halten. «Jede Bronz moss nüd is Netz» wäre da mein Credo. In Sachen Tagesablauf bemühe ich mich um grösstmögliche «Normalität» und halte fest an meinem Kaffee-Grüntee (-Zigarillo)-Morgenritual am Dachfenster. Ich muss aber feststellen, dass, obwohl ich eine «Nachteule» bin, mein morgendliches Aufwachen immer früher stattfindet. Ich weiss nicht, ob das mit dem Corona-Spuk zu tun hat, oder ich nun einfach ereilt werde vom Anfangsstadium der «senilen Bettflucht»?
Was vermissen Sie zurzeit am meisten und was überhaupt nicht?
Am meisten vermisse ich den Stammtisch im Schlössli Steinegg, das gemütliche Zusammensein mit Freunden allgemein und den Austausch mit den Menschen um mich herum - mit weniger als zwei Metern Abstand. Obwohl ich von Natur aus ein «Stubenhocker» bin und auch anstatt «Urlaub in der Ferne» lieber «deheem» bleibe, fühle ich mich in dieser Zwangssituation, mit zu Hause bleiben und auch den geschlossenen Grenzen, manchmal etwas unfrei. Ansonsten bin ich schon so weit, dass ich sogar Sachen vermisse, die ich «vor Corona» weder vermisst noch gemocht habe.
Ihr persönlicher Tipp gegen Stubenkoller?
Mein Fenster zur Welt ist - noch mehr als sonst - meine Dachgaube. Auch wenn ich den Ausblick mehr als gut kenne, verleidet er mir nicht. Aber natürlich bin ich auch ein «Opfer» von Netflix. Mittlerweile bin ich schon bei einer Serie aus dem Korea des 14. Jahrhunderts angelangt. Und dann natürlich lesen, lesen, lesen. Ich habe so viele Bücher unter meinem Bett gefunden, die noch original verpackt waren, dass ich noch mindestens bis zum 19. April zu tun haben.
Ach ja, das Wichtigste: Vergesst nicht eure Familienmitglieder und (ältere) Freunde ganz klassisch anzurufen und nach dem Rechten zu fragen. Es ist auch 2020 nicht jede und jeder mit Facebook, Instagram und Konsorten vertraut. Und wenn wir uns schon mit Abstand begegnen müssen, dann tut es gut, eine vertraute Stimme zu hören!
Marco Fritsche wurde am 8.Januar 1976 in Appenzell geboren, er lebt immer noch dort und arbeitet als selbständiger Moderator. Er besuchte das Gymnasium der Klosterschule St.Antonius. Nach einem Praktikum beim Sender swizz Music Televison, brach er sein Publizistik-Studium in Zürich ab und begann als Videojournalist zu arbeiten. Bis 2006 moderierte er bei VIVA (Schweiz). Auf 3+ ist er Moderator bei «Bauer,ledig, sucht..» und auf Tele Ostschweiz moderiert er seine eigene Sendung «Fritsche»
Shania Koller (*2002) ist Schülerin an der Fachmittelschule an der Kantonsschule Trogen und absolviert ein Praktikum bei «Die Ostschweiz». Sie wohnt in Gonten.
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