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Eine Serie von «Die Ostschweiz für den Sonntag»

Das Inferno am See - Teil 6

Wenige Tage nach dem Brand auf dem Raduner-Areal in Horn machte sich Ernst M., dem bald der Prozess gemacht werden soll, endgültig verdächtig bei den Ermittlern. Denn er versuchte, sich das Leben zu nehmen, was als «bedeutendes Indiz» gewertet wurde. Er selbst begründete den Versuch stets anders.

Stefan Millius am 29. März 2020

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Teil 6: Als der Druck zu gross wurde

Der «Ursachenbericht» der Kantonspolizei Thurgau vom 27. Februar 2019 zum Grossbrand auf dem Raduner-Areal in Horn vom Sommer 2015 ist 25 Seiten dick. Der Abschnitt «Suizidversuch Ernst M.» nimmt darin nur etwa eine halbe Seite ein. Doch er macht deutlich, dass der versuchte Selbstmord des inzwischen Angeklagten für die Ermittler grosse Bedeutung hat. Der Zwischenfall wird wohl auch im Prozess eine gewichtige Rolle spielen.

Am 9. August 2015, wenige Tage nach dem Brand in Horn, schickte Ernst M. um 7.37 Uhr eine Textnachricht an seine Frau, die zu diesem Zeitpunkt nicht im Haus war. «i cha nüme, i bi so under Druck, i nimm mir s'Läbe», schrieb M. Umgehend fuhr seine Frau nah Hause und fand ihren Ehemann im Badezimmer im ersten Obergeschoss. Er lag in der gefüllten Badewanne und hatte sich an beiden Handgelenken Schnittverletzungen beigebracht. Und zwar querwegs, nicht längs. Meist eine wenig effektive Methode. Solche Wunden führen oft nicht zum gewünschten Resultat, wenn die Blutgerinnung normal ist.

In diesem Fall war der Blutverlust laut dem Ursachenbericht aber «erheblich». Im Haus fand sich ein weiterer Hinweis darauf, dass Ernst M. aus dem Leben scheiden wollte. Auf der Rückseite eines Fotos hatte er handschriftlich eine Nachricht hinterlassen, die ebenfalls besagte, dass er den Druck nicht mehr aushalte.

Viele der früheren Weggefährten gaben bei den Befragungen an, dass Ernst M. nach dem Brand geknickt und ohne Lebenslust gewirkt habe. Einige führten das darauf zurück, dass das Lebenswerk von M verbrannt war und er keine Mittel hatte, um neu anzufangen. Die Polizei sah im Suizidversuch aber «ein bedeutendes Indiz für die Brandtathandlung». Diese habe den erwähnten Druck ausgelöst, mit dem Ernst M. nicht habe umgehen können.

Nach dem versuchten Selbstmord und der medizinischen Behandlung ist Ernst M. einige Tage in der Psychiatrischen Klinik Münsterlingen. Dort wird er von der Polizei befragt, und M. sagt, er sei «vom Teufel geritten» worden, dieser habe ihm das Messer in die Hand gelegt. Etwa einen Monat später erfolgt eine neue Befragung der Ermittler. Auf diese Formulierung angesprochen, erwidert M. er habe einen Nervenzusammenbruch gehabt, sonst hätte er das nie getan - und er würde es auch nicht wieder tun. Die Polizisten äussern ihre Zweifel, dass nur aufgrund der bevorstehenden Räumung und eines Brandes der Druck so gross war, dass man sich das Leben nimmt. M. entgegnet: «Nach dem Brand kam zu viel auf mich zu, alles zusammen.»

Sicher ist nur eines: Daduch, dass sich Ernst M. die Pulsadern aufschneiden wollte, avancierte er definitiv zum Hauptverdächtigen, nachdem er bereits zuvor im Fokus gestanden war, aber die Ermittler immer noch verschiedene Optionen für möglich hielten. Auch wenn ein Suizidversuch natürlich kein Beweis ist, höchstens ein untermauerndes Indiz.

Von diesen - und nur von diesen - gibt es diverse. Misstrauisch wurde die Kantonspolizei beispielsweise auch durch die Brandmeldung bei der Feuerwehr, die am frühen Morgen um 5.29 durch Ernst M. erfolgte. Dieser war früh im Areal gewesen und hatte später erklärt, er habe durch die Fenster den Rauch sah, der vom ersten Stock aufstieg. Die Ermittler bezweifeln das. Fotoaufnahme vom Brand von 5.44 Uhr zeigen schwachen Rauch aus zwei Fenstern aufsteigt. Eine Viertelstunde zuvor muss der Rauch noch geringer gewesen sein - und es war dunkler. Wie also konnte Ernst M. den Brand entdecken?

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Autor/in
Stefan Millius

Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.

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