Für Christian Gressbach, Geschäftsführer Toggenburg Tourismus, wäre ein Nein zum «Klanghaus» am 30. Juni ein «Super-GAU. Er ist überzeugt, dass das Projekt einen kleinen Bilbao-Effekt auslösen kann. Allerdings braucht es in der Region in gewissen Bereichen ein Umdenken.
Christian Gressbach, derzeit gibt es rund um das Toggenburg eigentlich nur das Thema «Klanghaus». Haben Sie überhaupt noch Zeit, sich um andere Aktivitäten zu kümmern?
Absolut, unser Tagesgeschäft läuft ganz normal – der Sommer steht vor der Türe und das Marketing- und Produktmanagementteam hat ebenfalls auch schon den Winter im Fokus. Das Klanghaus ist ein Projekt der Klangwelt Toggenburg und wir unterstützen bei gewissen Arbeiten, v.a. wenn es um touristische Aspekte rund um das Klanghaus geht.
Bleiben wir dennoch kurz beim «Klanghaus». Fast alle Parteien weibeln für das Projekt. Wie schlimm wäre ein NEIN zur Vorlage am 30. Juni an der Urne für das Toggenburg?
Aus meiner Sicht wäre es ein Super-GAU. Dieses Projekt ist für das Toggenburg eine riesige Chance und viele andere Destinationen sind neidisch. Ohne ein Klanghaus würden wir gegenüber den anderen Destinationen (auch im nahen Ausland) weiter an Boden verlieren.
In wenigen Sätzen: Was bringt das «Klanghaus» der Region – der gesamten Region – langfristig effektiv?
Aus touristischer Perspektive bringt das Klanghaus erstens Wertschöpfung für die ganze Region, zweitens eine klarere Positionierung auf die Themen Brauchtum und Klang sowie drittens hoffentlich eine engere Zusammenarbeit und ein Identifikationsgefühl der Bevölkerung und der Partner. Alle diese Punkte betreffen das Thur- und Neckertal. Zudem wird das Klanghaus langfristig mit Sicherheit weitere Investitionen auslösen und die genannten Punkte verstärken.
Als Pro-Argument wird gerne auch die neue «Verbundenheit» im Toggenburg aufgeführt. Die Vergangenheit hat jedoch gezeigt, dass es im Tal eben gerade an dieser Verbundenheit fehlt. Oftmals herrscht ein «Gärtchen»-Denken. Haben Sie dies in Ihrer Tätigkeit auch schon festgestellt?
Dies kann ich natürlich nicht verneinen und diese Denkweise ist im Tourismus sicher nicht förderlich. Trotzdem müssen wir auch festhalten, dass andere Destinationen mit gleichen Problemen zu kämpfen haben. Im Toggenburg wird es teilweise leider zu sehr an die Öffentlichkeit getragen.
Den meisten Ostschweizern dürfte klar sein: Das Toggenburg bietet gerade für Natur-Liebhaber einige Angebote. Was fehlt Ihrer Meinung nach, um endlich den gewünschten Schwung zu erhalten?
Neben der einmaligen Natur braucht es eine Angebotspalette, um den Aufenthalt der Gäste auszudehnen. Dabei entscheidend sind grosse Projekte, sogenannte Leuchttürme, die gegen aussen stahlen. Das Gipfelgebäude auf dem Chäserrugg von Herzog und de Meuron und auch der Baumwipfelpfad Neckertal sind sicher touristische Aushängeschilder unserer Destination. Und das Klanghaus gehört hoffentlich ebenfalls bald dazu. Durch solche Angebote bleiben die Gäste in einer Destination. Und der Übernachtungstourismus ist entscheidend, um eine Destination zu beleben und die Wertschöpfung zu verteilen.
Muss man das Vorhandene grundsätzlich auch selbstbewusster nach aussen tragen?
Klar, wir Toggenburger sind vom Typ Mensch her eher zurückhaltend und bescheiden. Dies ist eine positive Eigenschaft. Dennoch haben wir einiges zu bieten, auf das wir stolz sind und dies dürfen wir auch zeigen.
Auf welches Gästesegment zielen Sie in erster Linie ab, jenes aus der nahen Region oder aus der Ferne?
Wir fokussieren uns auf einen regionalen bis nationalen Zielmarkt – inklusive Süddeutschland. Unsere Angebote sind für diese Zielgruppe ausgerichtet. Wenn man in einer Destination auf einen Fernmarkt setzt, muss man alle touristischen Leistungserbringer zu diesem Schritt bewegen, dass der Gast eine durchgehende Servicekette hat. Nur so kann ein Fernmarkt langfristig positiv bedient werden.
Nehmen wir an, das Klanghaus kann realisiert werden. Welche weiteren Visionen gibt es für das Toggenburg darüber hinaus?
Das Klanghaus ist durch das bereits vorangetriebene Projekt «Klangschwendi» in die Region um den Standort Schwendisee eingebettet und vernetzt. Diese Vernetzung muss verstärkt und ausgeweitet werden. Es gibt bereits Zeichen für grossartige Kooperationen mit Partnern innerhalb und ausserhalb des Toggenburg (u.a. auch mit Universitäten und Hochschulen). Und ich bin überzeugt, dass das Klanghaus einen kleinen Bilbao-Effekt auslöst und weitere positive Investitionen (auch bei Übernachtungsbetrieben) auslösen kann. Dies braucht aber auch eine destinationsübergreifende Strategie, die u.a. wir koordinieren müssen.
Und bei einem Nein? Kehrt man dann in die «alte Stellung» zurück bzw. hält den Status quo?
Ehrlich gesagt, denke ich zurzeit gar nicht an diesen Worst Case. Wenn es so eintreffen würde, müssten wir nach dem 30. Juni mit den involvierten Partnern zusammensitzen und die Situation analysieren.
Marcel Baumgartner (*1979) ist Chefredaktor von «Die Ostschweiz».
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