Welche Kräfte werden die verschiedenen Parteien der Region schon bald prägen? In einzelnen Interviews stellen wir die Hoffnungsträgerinnen und -träger vor. Heute: Ronja Stahl (*1996), SP-Politikerin aus Wil.
Zivilstand: erachte ich als nicht relevant
Ausbildung/Beruf: Pflegefachfrau HF i. A
Partei und Funktion: Präsidentin SP Wil, Vorstandsmitglied SP Frauen Kanton St. Gallen
In der Partei seit: 2015
Hobbies: Wandern, Velofahren, Kochen, Musik
Hätten Sie schon immer eine Nähe zu der Partei, in der sich heute aktiv sind? Oder standen Sie dereinst auf einer anderen Seite?
Ich war ein wütender Teenager, die Ungerechtigkeit in diesem kapitalistischen System hat mich schon immer gestört. Es geht nicht in meinen Kopf, warum Milliardäre auf ihren Yachten die Meere verschmutzen dürfen, während andere Menschen verhungern – darum bin ich mit 17 Jahren in die JUSO eingetreten. Ich bin überzeugte Sozialistin: Ich träume von einer Welt, in der es keine Klassen, keine Herrschaft und keine Diskriminierung gibt. Für diese Utopie kämpft die JUSO – und so wurde ich zuerst JUSO- und dann SP-Mitglied.
Gab es einen bestimmten Auslöser, der bei Ihnen das Interesse für die Politik geweckt hat? Was war die Motivation, sich in einer Partei zu engagieren?
Mein Interesse für Politik war schon immer gross, die Wut und das Unverständnis für Ungerechtigkeit war immer da. Lange fehlte mir aber ein Ventil dafür, denn es gab in Wil keine aktiven Jungparteien oder Bewegungen. Mit17 Jahren war ich dann das erste Mal an der eidgenössischen Jugendsession in Bern. Dort wurde mir erst so richtig bewusst, dass es noch viele andere junge Menschen gibt, die gleich denken wie ich. Der JUSO-Slogan damals war «Ändern, was dich stört» – und so wurde ich Mitglied.
Wenn Sie Ihre Partei mit einer Schulnote bewerten müssten, wie würde die Benotung ausfallen?
Die SP ist nicht perfekt – aber im Vergleich zu den anderen Parteien natürlich eine 6. Aber natürlich gibt es auch bei uns Verbesserungspotential: Die SP macht in Parlamenten, in der Regierung und auf der Strasse solide, gute Arbeit. Dies scheint aber oftmals bei der Bevölkerung nicht durchzudringen. Hier müssen wir ansetzen.
Was sind Ihre persönlich wichtigsten Kernanliegen? Wofür möchten Sie sich einsetzen?
In Wil sind das mehr bezahlbarer Wohnraum, mehr Angebote für die Jugend und mehr Klimaschutz.
Ausserdem sind mir feministische Anliegen sehr wichtig.
Welche politischen Ambitionen haben Sie? In welcher Funktion würden Sie dereinst gerne aktiv sein?
Ich bin der Meinung, dass man nicht Personen sondern Ideen wählen sollte. Die Menschen sollten die SP wählen, weil wir uns konsequent dafür einsetzen, dass alle Menschen ein würdiges Leben leben können. Ob ich dabei gewählt werde oder nicht ist zweitranging.
Kommt es vor – ob im politischen Umfeld oder auch privat –, dass Sie eine extreme Position einnehmen, weil Sie Freude an der Debatte haben?
Ich diskutiere tatsächlich sehr gerne, aber ich nehme nicht extra eine Position ein, die ich gar nicht vertrete. Meine Positionen sind meistens von sich aus am linken Rand.
Stichwort «Diversität»: Gibt es einen Film, den Sie mögen, obwohl er bei dieser Thematik gegen einige Grundsätze verstösst?
Wenn ich bei allen Filmen, die ich mag strikt auf Diversität achten würde, könnte ich leider fast keine Filme mehr sehen – so sind z.b Frauen in Hauptrollen, aber auch bei der Regie immer noch eine Seltenheit. Ich mag die Serien von SRF sehr gerne, z.B Wilder oder Tschugger.
Möchten Sie eine neue Bekanntschaft in erster Linie von Ihren Qualitäten oder von Ihrer politischen Stossrichtung überzeugen?
Ich glaube an die Utopie einer befreiten, klassenlosen Gesellschaft. Deshalb definitiv die politische Stossrichtung.
Gibt es in der jüngsten Vergangenheit der Schweiz einen politischen Meilenstein, der Ihnen so gar nicht in den Kram passt?
Einen? Jede nationale oder auch kantonale Session ist bedingt durch die bürgerliche Mehrheit aus linker Sicht frustrierend. Aktuell sind wir im Abstimmungskampf gegen die AHV- Reform. Dieser Rentenabbau, der auf dem Buckel der Frauen ausgebadet werden soll, hat mich masslos geärgert.
Welche drei Punkte stehen aktuell ganz oben auf Ihrer politischen Pendenzenliste?
Durch die USA ist das Thema Abtreibungen auch hier wieder aktuell. Die SVP schiesst gleich mit drei Initiativen gegen unser Selbstbestimmungsrecht. Doch wir lassen uns das Recht über unseren Körper nicht nehmen – deshalb halten wird den Druck auf der Strasse hoch und werden dies auch in Zukunft tun. Aktuell startet der Abstimmungskampf gegen die AHV- Reform, die im September zur Abstimmung kommt. Dieser Kampf wird hart, aber ich bin überzeugt, dass wir ihn gewinnen werden. Ebenfalls sammeln wir für die neue nationale Initiative der SP Schweiz, die «Kita- Initiative» – es gibt also einiges zu tun.
Marcel Baumgartner (*1979) ist Chefredaktor von «Die Ostschweiz».
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