Rahmenabkommen? Hand aufs Herz: Wissen Sie, was drinsteht? Oder im UNO-Migrationspakt? Nein, hier erfahren Sie’s auch nicht wirklich. Dafür etwas über Souveränität.
Offensichtlich hat das Verhältnis zwischen der Schweiz und der EU den Beziehungszustand «es ist kompliziert». Eigentlich steht nur fest, dass die Schweiz nicht Mitglied der EU ist. Und dass die Eidgenossen das eher gut, die Eurokraten in Brüssel eher schlecht finden.
Je nun, könnte man da sagen. Wenn die EU nicht der wichtigste Aussenhandelspartner des Pro-Kopf-Exportweltmeisters Schweiz wäre. Und die Schweiz nicht der drittgrösste Handelspartner der EU. Da geht es ganz mittelalterlich um Wegzölle, moderner den Marktzugang mit möglichst wenig Schikanen.
Dafür gibt es über 120 Verträge mit der EU. Nun ist die EU ein kompliziertes Gebilde aus vielen verschiedenen Staaten, und ein Mitglied ist gerade auf dem Absprung. Ausserdem werden in Brüssel und Strassburg ständig neue Gesetze ausgeheckt, die dann übernommen werden sollen.
Und dann gibt es noch das Thema Personenfreizügigkeit. Also gibt es drei Knackpunkte: Wer entscheidet, wenn es Krach gibt zwischen EU und Eidgenossenschaft? Wie automatisch muss die Schweiz neue EU-Regeln übernehmen? Und darf die Schweiz die Einwanderung autonom regeln?
Da sagt die EU: Wer bei uns mitspielen will, muss unsere Regeln akzeptieren. Sonst darf er nicht in den EU-Binnenmarkt. Die Schweiz sagt: Das wird weltweit mit Freihandelsabkommen geregelt. In keinem steht drin, dass eine Seite die Regeln der anderen übernehmen muss.
Und vor allem: China oder den USA oder wem auch immer würde es nicht einfallen, ein Rahmenabkommen davon abhängig zu machen, dass über eine Milliarde Chinesen in die Schweiz einwandern dürften, dafür aber auch 7,5 Millionen Eidgenossen ins Reich der Mitte.
So weit, so kompliziert und verkantet. Solche Verträge werden von Spezialisten am Verhandlungstisch ausgejasst. Dabei wird mit Haken und Ösen, Bluffs und Tricks gearbeitet, alles ist erlaubt.
Was aber nicht erlaubt ist: Erst seit letzter Woche weiss die Schweizer Öffentlichkeit, was im Vertragsentwurf drinsteht, der unterzeichnungsbereit auf dem Tisch liegt. Und genau deshalb natürlich nicht unterzeichnet werden wird.
Ähnlich verhält es sich mit dem UNO-Migrationspakt. Den wollte der Bundesrat durchwinken, am 10. Dezember dann zur feierlichen Unterzeichnung nach Marrakesch reisen. Was drinsteht? Ach, ein paar unverbindliche Anregungen, UNO, Pakt, Staatengemeinschaft, da muss man dabei sein. Schliesslich waren auch Schweizer bei der Formulierung dabei.
Auch das hat nicht funktioniert. Kein Bundesrat ist in Marrakesch, die deutsche Bundeskanzlerin hingegen schon; der Rahmenvertrag ist in Deutschland kein Thema, weil das die EU aushandelt.
Und genau das macht den wesentlichen Unterschied klar: Wenn in der Schweiz der Souverän, die Bevölkerung keine Gelegenheit hat, sich über ein Thema von einiger Bedeutung zu informieren, zu diskutieren und schliesslich auch abzustimmen, dann haben alle solche Abkommen ganz schlechte Karten. Unabhängig davon, ob sie gut oder schlecht sind.
Und das ist gut so.
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