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Hoffnungsträgerinnen und -träger im Gespräch

«Es sieht danach aus, als ob man uns Jungen riesige Schuldenberge hinterlassen möchte»

Welche Kräfte werden die verschiedenen Parteien der Region schon bald prägen? In einzelnen Interviews stellen wir die Hoffnungsträgerinnen und -träger vor. Heute: Marc Rüdisüli (*1998), Mitte-Politiker aus Sirnach.

Marcel Baumgartner am 13. August 2022
  • Zivilstand: ledig

  • Ausbildung/Beruf: Student Politikwissenschaften und Recht

  • Partei und Funktion: Präsident Die Junge Mitte Schweiz, Mitglied der Parteileitung Die Mitte Thurgau

  • In der Partei seit: 2016

  • Hobbies: Wandern, Freundschaften pflegen, Musik, Kultur

Hatten Sie schon immer eine Nähe zu der Partei, in der sich heute aktiv sind? Oder standen Sie dereinst auf einer anderen Seite?

Ich stamme aus einer Mitte-Familie und war nie in einer anderen Partei. Ich habe vor meinem Eintritt die Parteienlandschaft einige Zeit beobachtet und mir war dann schnell klar, dass Die Junge Mitte für mich die richtige Partei ist. Sie hat stets den Menschen im Fokus und setzt die Sachpolitik ins Zentrum. Sie kümmert sich um generationengerechte Politik und ist die bürgerliche Partei, die soziale Verantwortung übernimmt.

Gab es einen bestimmten Auslöser, der bei Ihnen das Interesse für die Politik geweckt hat? Was war die Motivation, sich in einer Partei zu engagieren?

Ich wurde klassisch am Familientisch politisiert. Wir haben viel über politische und gesellschaftliche Themen diskutiert und so nahm das Interesse immer mehr zu. Meine ältere Schwester ging zum Jungfreisinn und in den Diskussionen habe ich dann gemerkt, dass die libertäre Strömung mir nicht entspricht. Als dann die SVP im Wahljahr 2015 einen grossen Sieg errungen hatte und die AHV2020 Reform vor dem Volk scheiterte, war mir klar, dass diese zunehmende Polarisierung das Erfolgsmodell Schweiz gefährdet und dadurch wichtige Reformen blockiert werden. Da musste ich mich einfach engagieren, und zwar in einer Partei, die für Lösungen und Zusammenhalt steht.

Wenn Sie Ihre Partei mit einer Schulnote bewerten müssten, wie würde die Benotung ausfallen?

Dass kommt darauf an, nach welchen Kriterien benotet werden soll. Die Junge Mitte ist auf einem erfolgreichen Weg; wir erleben seit der Namensänderung eine Aufbruchsstimmung. Wir gewinnen neue Mitglieder, sind in vielen Kantonsräten vertreten und investieren viel in die Förderung junger Talente. Wir bringen uns aktiv in die parlamentarische Arbeit ein und engagieren uns in Abstimmungskämpfen.

Was benötigt es, damit diese Bewertung dereinst noch besser ausfällt?

Wir als Die Junge Mitte müssen unsere Forderungen noch mehr in den politischen Diskurs bringen und pointierter auftreten. Das ist als Partei der Mitte eine Herausforderung, da Nuancierungen komplexer Probleme keine lauten Schlagzeilen generieren, aber daran haben wir noch zu arbeiten. Wir müssen uns noch mehr Gehör verschaffen. Schliesslich geht es um unsere Zukunft.

Was sind Ihre persönlich wichtigsten Kernanliegen? Wofür möchten Sie sich einsetzen?

Für echte Generationengerechtigkeit. Wir müssen aufpassen, dass den nächsten Generationen nicht alle Lasten überlassen werden. Besonders in der Altersvorsorge und der Umweltpolitik sieht es momentan danach aus, als ob man uns Jungen riesige Schuldenberge hinterlassen möchte. Das darf nicht sein. Auch müssen wir zusammen mit der Wirtschaft mehr in eine moderne Familienpolitik investieren. Nur so können wir den Fachkräftemangel effektiv bekämpfen.

Welche politischen Ambitionen haben Sie? In welcher Funktion würden Sie dereinst gerne aktiv sein?

Bei den nächsten Wahlen würde ich gerne in den Kantonsrat gewählt werden. Ich bin überzeugt, dass ich einen Beitrag dazu leisten kann, den Thurgau vorwärtszubringen.

Kommt es vor – ob im politischen Umfeld oder auch privat –, dass Sie eine extreme Position einnehmen, weil Sie Freude an der Debatte haben?

Ich liebe eine gute Debatte. Aus Jux nehme ich keine extreme Position ein. Ich folge meiner Haltung und stehe überzeugt für meine Meinung ein.

Wie fühlen Sie sich, wenn Sie merken, dass Sie falsch liegen?

In der Politik gibt es nicht einfach richtig oder falsch, sondern unterschiedliche Prioritäten. Für mich ist wichtig, dass ich immer offen bleibe für andere Meinungen und auch meine eigene Haltung hinterfrage. Wenn alle nur noch ihren Ideologien folgen und keine Kompromisse mehr schmieden können, kommen wir nicht weiter und das schadet längerfristig uns allen.

Stichwort «Diversität»: Gibt es einen Film, den Sie mögen, obwohl er bei dieser Thematik gegen einige Grundsätze verstösst?

Da passe ich.

Möchten Sie eine neue Bekanntschaft in erster Linie von Ihren Qualitäten oder von Ihrer politischen Stossrichtung überzeugen?

Natürlich von meinen Qualitäten, ausser wir führen eine politische Diskussion. Da will ich natürlich mit den besten Argumenten überzeugen.

Gibt es in der jüngsten Vergangenheit der Schweiz einen politischen Meilenstein, der Ihnen so gar nicht in den Kram passt?

Da gibt es zwei Dinge: Mit der Ablehnung des CO2-Gesetzes hätten wir einen klaren Plan mit konkreten Massnahmen gehabt, um die Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2030 zu halbieren. Nun sind wir wieder auf Feld 1. Wir müssen unbedingt einen Zacken zulegen, weil viel wertvolle Zeit verloren ging. Auch das Verhältnis zur EU betrübt mich. Wir stecken seit Jahren in einer Blockade und kommen nicht vorwärts. Es ist im Interesse der Schweiz, die Beziehungen zu unserer wichtigsten Handelspartnerin, mit der wir auch zentrale gesellschaftliche Werte teilen, zu stabilisieren. Die Medizintechnik-Branche und die Forschung leiden bereits sehr unter den Umständen.

Welche drei Punkte stehen aktuell ganz oben auf Ihrer politischen Pendenzenliste?

Ich werde mich mit aller Kraft für ein klares Ja zur AHV21-Reform am 25. September einsetzen. Die AHV ist unser wichtigstes Sozialwerk. Damit das auch so bleibt, müssen wir unsere AHV stabilisieren. Schaffen wir das nicht, wird der AHV bis ins Jahr 2030 über 26 Mrd. Franken fehlen.

Die Junge Mitte Schweiz setzt sich für eine moderne Familienpolitik ein und arbeitet derzeit an einem Projekt für eine nationale Elternzeit. Wir wollen das Anliegen national zwischen links und rechts deblockieren und eine wirtschafts- und gesellschaftsverträgliche Lösung ausarbeiten.

In der Umwelt- und Energiepolitik ist die Schweiz zu langsam unterwegs. Wir haben unser Klimaziel 2020 nicht erreicht und haben ein veraltetes CO2-Gesetz, das den heutigen Herausforderungen nicht mehr genügt. Momentan ist der indirekte Gegenvorschlag zur Gletscherinitiative im Ständerat. Dieser kommt ohne Verbote aus und beinhaltet konkrete und realistische Massnahmen. Ich unterstütze diese Vorlage und rufe den Ständerat dazu auf, diese Vorlage nicht abzuschwächen.

Und welche drei Punkte stehen auf der privaten Liste?

Ich möchte nächstes Jahr mein Studium erfolgreich abschliessen, jetzt nach der Coronazeit wieder vermehrt Konzerte besuchen und ich freue mich im Sommer auf ein paar ausgiebige Wanderungen in den Schweizer Bergen.

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Autor/in
Marcel Baumgartner

Marcel Baumgartner (*1979) ist Chefredaktor von «Die Ostschweiz».

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