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Die Misere der St.Galler Spitäler

«Hanselmann hätte schon 2014 über die Bücher gehen müssen»

Die laufenden Investitionen in die St.Galler Spitäler sind demokratisch abgesegnet. Aber sie entpuppen sich immer mehr als Fass ohne Boden. Die ehemalige Kantonsrätin Erika Häusermann hatte das schon 2014 prophezeit. Heute sagt sie: «Es ist noch viel schlimmer gekommen.»

Stefan Millius am 17. Mai 2019

«Werden die Spitalinvestitionen ein unbezahlbarer Klotz am Bein der Spitäler?»

So lautete der Titel einer Einfachen Anfrage der damaligen GLP-Kantonsrätin Erika Häusermann aus Wil. Sie hätte einen gleichlautenden Vorstoss problemlos auch dieser Tage einreichen können, und niemand hätte sich gewundert. Denn die finanzielle Lage einiger Spitäler, massgeblich mitausgelöst durch die laufenden Investitionen, ist aktuell dramatisch.

Nur: Der Vorstoss datiert vom 20. Mai 2014. Das ist fünf Jahre her.

Schon damals also hatte die Politikerin - sie trat ein Jahr später nicht zur Wiederwahl an - den Riecher, dass hunderte von Millionen Franken, die in den folgenden Jahren in die St.Galler Spitäler fliessen sollten, nicht folgenlos bleiben konnten. Denn die Konsequenz daraus sind massiv höhere Nutzungsentschädigungen, welche die Spitäler zu tragen haben.

Inzwischen ist rund um die Spitäler die Rede von Notkrediten, die vielleicht gebraucht werden bis hin zur Frage, ob sie nicht sogar die Bilanz deponieren müssten. Es sieht also so aus, als hätte Häusermann damals recht gehabt. Die Antwort der Regierung auf ihre Fragen aber war ausweichend bis ruhigstellend.

Erika Häusermann

Die ehemalige Kantonsrätin Erika Häusermann (GLP).

Im Interview mit Erika Häusermann zu ihrem damaligen Vorstoss - und ihrer Reaktion fünf Jahre danach:

Sie haben in einer Einfachen Anfrage an die Regierung im Mai 2014 gefragt: «Werden die Spitalinvestitionen ein unbezahlbarer Klotz am Bein der Spitäler?» Was hat Sie damals zu dieser Erkenntnis gebracht?

Erika Häusermann: Ich war zu dieser Zeit Mitglied des Kantonsrates und habe in der Botschaft der Regierung über die Investitionen in die Infrastruktur der öffentlichen Spitäler gelesen, dass die Nutzungsentschädigungen aller Spitalregionen zusammen von bisher jährlich 25,3 Millionen Franken um 38,5 Millionen auf 63,8 Millionen Franken erhöht werden. Ich hatte mich gefragt, wie die Spitäler diese massive Erhöhung überhaupt finanzieren können.

Aus Ihrer Sicht deuteten also die massiven Investitionsvorhaben, die damals geplant waren, schon zu jenem Zeitpunkt darauf hin, dass die Spitäler in Schieflage geraten?

Erika Häusermann: Ich hatte zusammen mit Margrit Kessler, damals GLP-Nationalrätin und Patientenschützerin, nachgerechnet. Die neue Spitalfinanzierung mit SwissDRG-Fallpauschalen war bereits seit 2012 eingeführt. Anhand von Patienteneintritten und Fallpauschalen konnten wir die Einkünfte der Spitäler in etwa ausrechnen und kamen zum Schluss, dass die Spitäler die Kosten für Verzinsung und Amortisation ihrer Neubauten damit nie würden bezahlen können. Darauf reichte ich von Dezember bis Mai insgesamt vier Einfache Anfragen zur Finanzierung der Bauvorhaben ein.

Wie sahen die Reaktionen aus?

Erika Häusermann: In der Einfachen Anfrage mit dem Titel: «Werden die Spitalinvestitionen ein unbezahlbarer Klotz am Bein der Spitäler?» erhielt ich die Antwort: «In der Botschaft wurde dargelegt, dass die Spitalunternehmen die Investitionen gemäss heutiger Erkenntnis tragen können.» Spätestens bei Beantwortung meiner Anfrage hätte Hanselmann über die Bücher gehen und nachrechnen müssen. Das hat sie nicht getan, sondern ihre Antwort einfach aus der Botschaft abgeschrieben. Heute frage ich mich, ob niemand aus dem Finanzdepartement überprüft hat, ob die Berechnungen stimmen.

Und ist das Szenario, das wir heute haben, deckungsgleich mit dem, das Sie damals aufgezeichnet haben, oder gibt es Unterschiede?

Erika Häusermann: Es ist noch viel schlimmer gekommen, als ich gedacht habe, weil die Einkünfte durch Abnahme von stationären Patienten und sinkende Tarife noch zurückgegangen sind. Die Spitalregion Fürstenland Toggenburg ist mit über 6 Millionen Franken in den roten Zahlen, und das Kantonsspital schreibt für 2018 eine schwarze Null - plus 2,5 Millionen - bei einem Umsatz von 893 Millionen Franken. Dessen Neubauten sind erst im Bau; sie kosten 400 Millionen, die Kosten für Zinsen und Amortisation kommen erst später dazu. Die dem Kantonsspital belasteten Nutzungsgebühren werden gemäss Abstimmungsbüchlein um jährlich etwa 20 Millionen Franken steigen. Wie es diese Kosten aus den Einkünften finanzieren soll, ist mir schleierhaft.

Die Regierung hat Ihre Einfache Anfrage relativ schlank auf 1,5 Seiten beantwortet. Waren Sie damals zufrieden mit der Antwort?

Erika Häusermann: Nein, ich war mit der Antwort nicht zufrieden, die Gesundheitschefin zitierte lediglich aus der Botschaft, die Spitäler könnten die neuen Nutzungsentschädigungen tragen. Meine Frage, wie hoch denn die zusätzlichen Nutzungsentschädigungen nach der Sanierung des Spitals Wattwils sein werden, wurde nicht beantwortet. So konnte ich meine eigenen Berechnungen nicht vergleichen.

Hätte es zum Zeitpunkt Ihrer Anfrage noch Möglichkeiten gegeben, Gegensteuer zu geben? Wie hätte das aussehen müssen?

Erika Häusermann: Die Planungsdauer der verschiedenen Spitalneubauten und Sanierungen war sehr lange. Spätestens bei Ankündigung der neuen Spitalfinanzierung mit SwissDRG-Fallpauschalen ab 2008 hätte man einen Marschhalt machen müssen. Spätestens dann muss es auch für Regierungsrätin Hanselmann klar gewesen sein, dass mit diesen Einkünften die Spitäler die Kosten für Verzinsung und Amortisation ihrer Neubauten nicht werden bezahlen können. Um die anstehenden hohen Investitionskosten für die Spitäler zu decken, hätten die Fallpauschalen in den Verhandlungen mit den Krankenkassen erhöht werden müssen. Dies konnte Frau Hanselmann nicht erreichen; stattdessen brüstete sie sich mit den tiefen Fallpauschalen der St. Galler Spitäler.

Wie beurteilen Sie die Tatsache, dass Sie vor genau fünf Jahren mit dürftigen Antworten abgespiesen wurden? Konnte die Regierung wirklich noch nicht mehr sagen oder wollte sie nicht?

Erika Häusermann: Die Zahlen lagen auf dem Tisch, die Regierung hätte nie und nimmer die Botschaft über die Investitionen in die Infrastruktur der öffentlichen Spitäler dem Kantonsrat vorlegen dürfen mit der Behauptung, die Nutzungsentschädigungen seien für die Spitalunternehmen tragbar. Damit die Abstimmung über die Spitalkredite positiv verläuft, wurde damals unverhohlen gedroht, Zitat aus dem Abstimmungsbüchlein: «Ein Nein würde einen zeitgemässen Spitalbetrieb verunmöglichen» Jetzt, nur fünf Jahre später, droht fünf von acht Regionalspitälern gleichwohl die Schliessung. Heidi Hanselmann war Regierungsrätin und zugleich Verwaltungsratspräsidentin der Spitalverbunde und hatte deshalb - zu - viel Macht. Dies hat der Kantonsrat auf Ende der letzten Legislatur geändert.

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Autor/in
Stefan Millius

Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.

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