Welche Kräfte werden die verschiedenen Parteien der Region schon bald prägen? In einzelnen Interviews stellen wir die Hoffnungsträgerinnen und -träger vor. Heute: Judith Ricklin (*1971), SVP-Politikerin aus Kreuzlingen.
Zivilstand: ledig
Ausbildung/Beruf: Kindergarten-Diplom, Primarschul-Diplom, CAS Schulleitung, B.A. Bildungswissenschaften, M.A. Schulentwicklung / Primarlehrerin
Partei und Funktion: SVP / Gemeinderätin, Kantonsrätin, Vizepräsidentin SVP Thurgau, Parteivorstand SVP Schweiz
In der Partei seit: 2009
Hobbies: Musik: Band «The Thunderbirds», Gymnastik-Gruppe Kreuzlingen, Tennis
Hatten Sie schon immer eine Nähe zu der Partei, in der sie heute aktiv sind? Oder standen Sie dereinst auf einer anderen Seite?
Als ich der SVP 2009 beitrat, hatte ich die Möglichkeit für die Sekundarschulbehörde zu kandidieren. Bis dahin machte ich mir keine Gedanken zu meiner politischen Verortung, hatte aber immer Sympathien für die Anliegen der SVP, vor allem im Bereich der Sicherheit und des Grenzschutzes. Mein Vater war Grenzwächter und mir war daher schon als Kind bewusst, dass unsere Sicherheit auf dem Einsatz und den Mut unserer Vorfahren sowie einigen Berufsgruppen beruht und keine Selbstverständlichkeit ist. Als ich dann für den Gemeinderat in Kreuzlingen kandidierte, beantwortete ich die vielen Fragen für die Erstellung eines Smartspiders. Dann sah ich zum ersten Mal, dass es grundsätzlich passt, auch wenn ich durchaus behaupten kann, ein eigenes Profil zu haben. Denn auch meine pädagogischen Ausbildungen und viele Naturerlebnisse haben mich geprägt.
Gab es einen bestimmten Auslöser, der bei Ihnen das Interesse für die Politik geweckt hat? Was war die Motivation, sich in einer Partei zu engagieren?
Jemand von der SVP Ortspartei fragte mich an, ob ich nicht Lust hätte, für die Ersatzwahl der Sekundarschulbehörde zu kandidieren. Da ich zu diesem Zeitpunkt mitten in der Schulleiterausbildung war, aber gerade die Möglichkeit hatte, eine Stelle als Primarlehrerin an einer Gesamtschule anzutreten, war für mich klar, dass ich im Moment als Lehrerin weiterarbeiten möchte. Ich sah in der Kandidatur die Gelegenheit, mein neu erworbenes Wissen dennoch anwenden zu können. Obwohl ich bei der Wahl das absolute Mehr erlangte, reichte es dann doch nicht ganz für den Einzug in die Behörde. So engagierte ich mich ab diesem Zeitpunkt in der Ortspartei und im Laufe der Jahre bin ich da immer mehr reingewachsen.
Wenn Sie Ihre Partei mit einer Schulnote bewerten müssten, wie würde die Benotung ausfallen?
Ich gebe meiner Orts- und der Kantonalpartei eine 5.5 und der SVP Schweiz eine 5.
Was benötigt es, damit diese Bewertung dereinst noch besser ausfällt?
Die SVP Schweiz muss nach meinem Empfinden in der Kommunikation nach aussen präziser auftreten. Wobei dies ein schwieriges Unterfangen ist, da hier auch die Medien eine grosse Rolle spielen. Wenn man von einer zehnminütigen Rede als Medienkonsument nur die eine Minute von den Medien serviert bekommt, welche für eine Schlagzeile reichen, dann ist das in etwa so, als ob ich in der Schule bei den Rückmeldungen an die Eltern und das Kind jeweils nur das erwähne, was mich stört. Letztendlich hat man ein verzerrtes Bild. Ich rate deshalb allen, sich selbst ein Bild von der SVP zu machen, indem man deren Veranstaltungen besucht und mit den einzelnen Protagonisten der Partei persönlich spricht.
Was sind Ihre persönlich wichtigsten Kernanliegen? Wofür möchten Sie sich einsetzen?
Von meinem beruflichen Hintergrund gesehen, ist mir natürlich der Bildungsbereich ein grosses Anliegen: Wir müssen gewährleisten, dass wir genügend gut ausgebildete Lehrpersonen haben, dass unsere Jugendlichen keine Verlierer des europäischen Arbeitsmarktes sind (Stichwort Zuwanderung und Bildungsabschlüsse) und dass wir das duale Bildungssystem und die Durchlässigkeit der Aus- und Weiterbildungen pflegen und gewährleisten.
Als Lehrperson zieht Jahr für Jahr die Zukunft durch mein Klassenzimmer. Da sind mir auch Themen wie die Gesundheit, der Umweltschutz mit dem Fokus der Förderung der Biodiversität ebenso wichtig, wie die Selbstversorgungsgewährleistung, was in den Bereich der Landwirtschaft (Ernährung), der Energieversorgung und der Sicherheit (Grenzschutz, Armee) geht.
Welche politischen Ambitionen haben Sie? In welcher Funktion würden Sie dereinst gerne aktiv sein?
Ich kann mir gut vorstellen, nochmals etwas Neues zu machen. Mit meinen Aus- und Weiterbildungen ist Verschiedenes möglich. Bisher habe ich aber eher an eine berufliche Weiterentwicklung gedacht. Da nun aber mein Mandat als Kantonsrätin und meine Lehrtätigkeit an der Gesamtschule Gottlieben eine tolle Kombination und sehr abwechslungsreich ist, bin ich nicht aktiv auf der Suche. Das war ich auch in Vergangenheit nie, sondern habe einfach immer mir dargelegte Gelegenheiten ergriffen. Das werde ich wohl auch in Zukunft so handhaben.
Kommt es vor – ob im politischen Umfeld oder auch privat –, dass Sie eine extreme Position einnehmen, weil Sie Freude an der Debatte haben?
Das kommt in der Tat vor. Vor allem auch, weil ich es gewohnt bin, Diskussionen in der Schule mit provokativen Thesen anzuregen. Zu viel Einigkeit macht Träge, da bin ich auch selbst froh, wenn neue Aspekte in eine Diskussion eingeworfen werden, damit der Austausch anregend ist, so dass am Schluss, bei der Lösungsfindung bzw. bei deren Umsetzung, nicht noch zahlreiche unberücksichtigte Probleme auftreten.
Wie fühlen Sie sich, wenn Sie merken, dass Sie falsch liegen?
Das kommt auf die Situation an. Als Lehrperson habe ich täglich mit Lernenden zu tun und proklamiere selbst, dass Fehler nicht schlimm sind, ausser man lernt nichts daraus. In der Regel recherchiere ich dann das Thema nochmals, um Gewissheit zu erhalten, wie der Sachverhalt wirklich ist. So gesehen ist «falsch liegen» nicht Schlimmes, sondern eher anregend, für weitere Abklärungen.
Stichwort «Diversität»: Gibt es einen Film, den Sie mögen, obwohl er bei dieser Thematik gegen einige Grundsätze verstösst?
Mir gefällt Satire gut, kann jetzt aber keinen konkreten Filmtitel dazu nennen.
Möchten Sie eine neue Bekanntschaft in erster Linie von Ihren Qualitäten oder von Ihrer politischen Stossrichtung überzeugen?
Mir ist es schon lieber, wenn die Menschen mich als Person kennen, als lediglich meine Parteizugehörigkeit. Das Parteiprogramm bietet zwar eine gute Grundlage für eine gewisse Haltung. Doch letztendlich sind es meine Werte, welche ich aufgrund meiner Erfahrungen und Herkunft mitbringe und vertrete und die mich letztendlich auch als Mensch ausmachen. Das ist weit mehr und vielfältiger als eine «politische Stossrichtung».
Gibt es in der jüngsten Vergangenheit der Schweiz einen politischen Meilenstein, der Ihnen so gar nicht in den Kram passt?
Die Vereinbarung der Personenfreizügigkeit zwischen der Schweiz und der EU ist zwar mit dem Eintreten im Jahr 2002 ein nicht mehr ganz junger Meilenstein. Doch die negativen Auswirkungen auf unser kleines Land werden immer offensichtlicher: Natur, Umwelt und Infrastruktur ächzen unter der rasanten Entwicklung bzw. Zuwanderung. Es gibt zwar viele Gewinner, welche freudig in die Hände klatschen, weil ihre Kassen klingeln, doch darf man nicht vergessen, dass es auch viele Verlierer dieses Systems gibt. Die negativen Auswirkungen werden vor allem unseren Nachfahren zu spüren bekommen. Die Ablehnung der Begrenzungs-Initiative 2020 ist eine verpasste Gelegenheit, innezuhalten und Korrekturen vorzunehmen, damit die Schweiz langfristig ein Erfolgsmodell bleibt. Im Moment habe ich eher den Eindruck es findet ein Ausverkauf statt, bei dem sich jeder, der kann, noch die Taschen füllt, bis nichts mehr zu holen ist.
Welche drei Punkte stehen aktuell ganz oben auf Ihrer politischen Pendenzenliste?
Immer ganz oben steht: Mit anderen Menschen ins Gespräch kommen und ihnen genau zuhören. Die Biografien sind so verschieden, dementsprechend auch ihre Lebenswelten, ihre Erlebnisse und Anliegen. Ich will wissen, was meine Wählerinnen und Wähler beschäftigt. Zudem verfolge ich den Lehrpersonenmangel schon seit Jahren aus Sicht der Lehrerinnen und Lehrer und jetzt als Politikerin. Dass sich die Lage immer weiter zuspitzt, ist auch eine Chance für (Weiter-) Entwicklungen, die jetzt endlich angepackt werden müssen. Die Förderung der Biodiversität ist mir ebenfalls ein grosses Anliegen.
Und welche drei Punkte stehen auf der privaten Liste?
Im Sommer nehme ich mir immer mal wieder kurz Zeit, um im Garten zu sitzen, die Natur zu beobachten und die kleinen Dinge des Lebens mit Makrofotografien gross rauszubringen. Ein Teil davon veröffentliche ich auf den sozialen Medien oder lasse daraus Karten drucken, welche ich dann für persönliche Grüsse verwende. Diese kleinen Auszeiten sind für mich so wichtig, dass sie gleich die ersten drei Punkte meiner privaten Liste besetzen…
Marcel Baumgartner (*1979) ist Chefredaktor von «Die Ostschweiz».
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